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Osman Engin Die Corona-ChronikenCorona aus dem Schlüsselloch

Foto: privat

Osman Engin ist Satiriker in Bremen. Er liest seine Geschichten im Radio bei Cosmo unter dem Titel „Alltag im Osmanischen Reich“. Sein Longseller ist der Krimi „Tote essen keinen Döner“ (dtv).

Vor lauter Husten kann ich die ganze Nacht nicht schlafen. Dabei ist es nicht mal mein eigener Husten. Der Opa Prizibilsky von der unteren Etage hat sich die ganze Zeit so herz- und ohrzerreißend die Lunge aus dem Leib gehustet, dass ich kein Auge zumachen konnte. Eminanim schon! Man kann neben ihrem Kopf eine Atombombe zünden – sie wird weiterschlafen. Wahrscheinlich ihren letzten Schlaf, aber trotzdem.

Um 5.30 Uhr springe ich total mürrisch aus dem Bett. „Ich sage jetzt Opa Prizibilsky, dass er mit seinem Corona sofort ins Krankenhaus fahren muss! Noch so eine Nacht können wir beide nicht überleben“, fluche ich.

„Mir macht‘s nichts aus“, murmelt Eminanim schlaftrunken.

„Ich meinte ja auch mich und Opa Prizibilsky.“

„Osman, mach das nicht. Das wird ihn sehr kränken. Wenn er nicht an Corona stirbt, dann stirbt er an gebrochenem Herzen. Vielleicht hat er ja gar kein Corona.“

„Gut, gut, ich rufe nicht ihn an, sondern das Krankenhaus. Völlig anonym!“

Ich bekomme sicherlich auch eine saftige Belohnung, weil ich die Stadt vor einer tödlichen Infektionsquelle gerettet habe. „Wenn Sie ihn sofort abholen, kann ich noch ein bisschen schlafen“, sage ich der Schwester. „Wo kämen wir denn da hin?“, meint sie. „Zum Karnickelweg 7b. Bei Prizibilsky klingeln“, freue ich mich.„Ich meine, wo kämen wir denn hin, wenn jeder jeden völlig anonym denunzieren und ihn ins Krankenhaus stecken könnte? Vielleicht hat der Mann ja nur Bronchitis.“

„Na, Osman, was habe ich dir gesagt?“, grinst Eminanim siegestrunken.

Den ganzen Vormittag stehe ich mit einem Wattestäbchen in der Hand vor Opa Prizibilskys Tür, um ihm Speichelprobe zu entnehmen. Ohne Erfolg. Am Spätnachmittag hole ich ihm Spaghetti-Eis, und bei der Gelegenheit seinen Speichel. Aber im Krankenhaus weigern sie sich, Opa Prizibilskys Wattestäbchen auf Corona­ zu testen.

„Was soll ich denn noch machen? Soll ich den alten Mann hierher zerren?“, frage ich frustriert.

„Genau das. Er muss persönlich kommen.“

„Na, Osman, was habe ich dir gesagt?“, grinst Eminanim und schläft die ganze Nacht durch, während ich dank der Hustenmaschinerie von unten erneut keine Sekunde Schlaf bekomme. Ich muss mir unbedingt was anderes einfallen lassen, um Opa Prizibilsky und seine Sägefabrik ins Krankenhaus zu stecken!

Also hänge ich die nächsten Tage an seinem Schlüsselloch und atme die virenverseuchte Luft tief ein. Wenn ich mit Corona im Krankenhaus lande, muss logischerweise auch mein Infektionsherd mir folgen. Ich befürchte nur, dass wir das gleiche Zimmer teilen müssen!

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