Oskar Roehlers Film „Herrliche Zeiten“: Gewalt als letzte Lösung
Die schwarze Gesellschaftssatire von Oskar Roehler will vor allem eines: provozieren. Offen bleibt, wie er selbst zum Plot seines Films steht.
Eine schwarze Komödie. Eine ätzende Gesellschaftssatire. Ein schwieriger Film. Oskar Roehlers „Herrliche Zeiten“ hat schon vor dem Kinostart für heftige Reaktionen gesorgt. Und die Frage ins Spiel gebracht, ob der Regisseur politisch rechts einzusortieren ist. Doch der Reihe nach.
Evi ist Architektin. Sie lebt in einer großzügigen Villa mit ihrem Mann, dem Schönheitschirurgen Claus Müller-Todt. Im Moment hängt sie aber schlapp zu Hause in den Seilen, sie ist depressiv. Claus fällt derweil nicht viel mehr ein, als ihr mit Fußmassagen schützend zur Seite zu stehen. Dann kündigt auch noch die Haushaltshilfe.
Was Claus zum Anlass nimmt, in angeheitertem Zustand eine Anzeige ins Netz zu stellen: „Sklave/in gesucht“. Einige Anhänger der BDSM-Szene verstehen das wörtlich und klingeln tags darauf, in Leder- und Latexmontur versammelt, an der Haustür der Müller-Todts. Den Zuschlag bekommt ein diskreter Herr Bartos, der die Annonce korrekt als Ironie gedeutet hat.
Und den Begriff „Sklave“ will er so verstanden wissen, dass es sich dabei um ein Arbeitsverhältnis handelt, das in erster Linie auf Vertrauen fußt und weniger auf Geldverdienen. Außer Kost und Logis will Bartos keinen Lohn. Man einigt sich auf eine Probewoche.
Katja Riemann gibt ihren Part als Evi mit forcierter Waschlappenschlaffheit, während Oliver Masuccis Claus sich in schönstem rheinländischen Akzent aufplustert als Herr der Lage, der seine Weltmännischkeit vor allem zu dem Zweck zu simulieren scheint, die eigene Überfordertheit zu kaschieren. Und Samuel Finzi ist als Bartos so formvollendet höflich, dass man dahinter andere Absichten vermutet.
Rechts? Kein Problem.
„Herrliche Zeiten“ basiert auf dem Roman „Subs“ von Thor Kunkel, dem umstrittenen Schriftsteller und PR-Berater. In letzterer Funktion beriet er im vergangenen Jahr unter anderem die AfD für ihre Wahlkampagne. Roehler, der Kunkel als einen Rechten einschätzt, wie er vergangenes Jahr in einem FAS-Interview sagte, sieht darin kein Problem. Ein Problem hat man dafür als Journalist, weil Roehler nicht erkennen lässt, wie er selbst zum Plot seines Films steht.
In „Herrliche Zeiten“ sind die Müller-Todts zu beobachten, wie sie das Angebot, die „Herren“ von Bartos zu sein, dankbar annehmen und von ihrem Sklaven noch befeuert werden, eine passend „herrische“ Haltung zu kultivieren. Bald schon rücken Schwarzarbeiter aus Bulgarien an, um im Garten die Grube für einen Pool auszuheben, für 2,50 Euro die Stunde.
Und dann ist da noch der Nachbar der Müller-Todts, Mohammed Al Thani (Yasin El Harrouk), Sohn eines Ölscheichs, der aus seinem Land fliehen musste, in seinem Anwesen von einer kleinen Privatarmee bewacht wird und ausschweifende Partys feiert. Um seine Ziele zu erreichen, kennt er kaum moralische Skrupel. Er findet, sein Freund Claus könne sich davon ruhig eine Scheibe abschneiden.
Auf der einen Seite gibt es hier die Mittelschicht, die mit Verlustängsten lebt – Claus hat in der Klinik nur noch wenige Patienten –, auf der anderen die „unten“, die Sklaven im Haus oder die Arbeiter im Garten, die nur dem Namen nach keine Sklaven sind. Jede Figur ist so neongrell überzeichnet, dass sie einerseits komisch wirkt, andererseits ausschließlich für eine These steht, echte Menschen sind das nicht. Was auch für den „alternativen“ Lebensentwurf von Mohammed gilt, der Gewalt als legitimes Mittel betrachtet.
Gewalt als Konfliktlösung
Dass Roehler diese Gewalt, die irgendwann die Müller-Todts errreicht, sich als Strategie für Konfliktlösungen zu eigen macht, darf allerdings bezweifelt werden, ebenso die Hierarchie von oben und unten, die der Film durchbuchstabiert. Das fratzenhafte Bild einer verlogenen Wohlstandsschicht, der die Felle langsam davonzuschwimmen drohen, lässt jedoch offen, ob Roehler lediglich kritisieren will oder dahinter noch andere Gesellschaftsentwürfe schlummern.
„Herrliche Zeiten“. Regie: Oskar Roehler. Mit Katja Riemann, Oliver Masucci u. a. Deutschland 2017, 110 Min.
Dass der Film einen damit allein lässt, macht ihn so verstörend. Man fühlt sich ungut unterhalten bei den flott gesetzten Pointen, dem overacting der Hauptfiguren und der dräuenden Stimmung, die Roehler mit misstönenden Streichern und artifiziellem Rotlicht in den Film bringt.
Die hemmungslose Konsequenz, mit der er vorgeht, verfehlt zwar nicht ihre Wirkung. Am Ende fragt man sich bloß, wohin diese Konsequenz führt. Unklar bleibt, ob Roehler möchte, dass man ihm irgendwohin folgt – wo auch immer das sein soll. Man kann diese Ambivalenz aushalten – oder die Sache bleiben lassen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!