Oskar Lafontaine über Eitelkeit in der Politik: "Rampenlicht wärmt nicht"
Er stand ganz vorne, erst bei der SPD, dann bei der Linken: Oskar Lafontaine. Jetzt meint er, Zwangsjacke und Narzissmus der Politik los zu sein
BERLIN taz | Der Linken-Politiker Oskar Lafontaine muss sich zuweilen überwinden, in Wahlkämpfen aufzutreten. "Ja, es entsteht eine innere Distanz, wenn man jahrzehntelang Wahlkämpfe macht", sagt er im sonntaz-Gespräch. "Ich brauche nicht jeden Tag das Bad in der Menge, ich mache nicht Wahlkampf in Rheinland-Pfalz oder Baden-Württemberg, um beklatscht zu werden." Lafontaine berichtet, er sei früher stolz gewesen, von Kameras und Blitzlichtgewitter umgeben zu sein. Heute sei das nicht mehr so. Auch von sich selbst kenne er narzisstische Verhaltensweisen. "Wenn Sie auf der Bühne stehen, wollen Sie den Beifall und schielen manchmal zu sehr auf die Galerie." Die Bewältigung beginne damit, die Deformation wahrzunehmen. "Das Rampenlicht wärmt nicht auf Dauer." Über die Belastung von Spitzenpolitikern sagte er: "Raubbau am Körper ist unvermeidlich, wenn man Politik macht. Ich habe bis zur Krebserkrankung viel Sport gemacht und gegengesteuert." 1990, als er für die SPD als Kanzlerkandidat Helmut Kohl antrat und bei einem Attentat schwer verletzt wurde,habe er aus Pflichtgefühl weiter gemacht. Niemand in der SPD habe sich bereit erklärt, für ihn einzuspringen. "Es ging mir wie einem Boxer, der mit weichen Knien wieder in den Ring steigen muss." Lafontaine hatte nach einer Krebsoperation im vergangenen Jahr den Bundesvorsitz aufgeben und hatte sich nach Saarbrücken zurückgezogen. Dort führt er allerdings noch die Landtagsfraktion. "Ich befinde mich doch in einer komfortablen Situation", sagte er. "Ich kann mich einmischen, wenn ich will, habe aber nicht mehr diese Zwangsjacke, jeden Tag in Berlin sein zu müssen." Auf die Frage, ob es stimme, dass er fast täglich bei Linken-Fraktionschef Gregor Gysi und den beiden Parteivorsitzenden Gesine Lötzsch und Klaus Ernst anrufe sagte er: "Das ist doch normal, oder?" Im sonntaz-Gespräch spricht Lafontaine über Gerhard Schröder und Willy Brandt, die "Bild" und die DDR und darüber, warum er weiter die SPD verändern will.
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