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Archiv-Artikel

Ortstermin: Zum Abendessen in der Hamburger Imam-Ali-Moschee Kann eine Frau Ayatollah werden?

In der Reihe „Ortstermin“ besuchen Autoren der taz nord ausgewählte Schauplätze am Rande des Nachrichtenstroms

Die Tische sind liebevoll gedeckt, Teller mit Äpfeln, Orangen und Bananen stehen bereit. 30, vielleicht 35 Kinder sind mit ihren Eltern zu Gast im Islamischen Zentrum an der Hamburger Außenalster. Die Neun- bis Vierzehnjährigen schnitzen ihre Äpfel zurecht, tuscheln, lachen und ziehen Grimassen. Eigentlich sollten sie aber zuhören, denn gerade werden die Fragen beantwortet, die sie selbst sich ausgedacht haben.

Es sind Kinder, die beim Switch-Projekt des Vereins „Kulturbrücken“ mitgemacht haben: Eine Switch-Gruppe, das sind vier Kinder, von denen nur eines deutsche Wurzeln hat. Reihum laden die Eltern die Gruppe für einen Tag zu sich nach Hause ein und zeigen den Gastkindern dann zum Beispiel spanisches Essen oder äthiopische Musik. Bei der Abschlussfeier des Projekts hatte Ayatollah Ghaemmaghami die Kinder zum Abendessen ins Islamische Zentrum eingeladen – deshalb sitzen sie nun hier, an diesem Freitagabend.

Weil Ghaemmaghami mit einem Hexenschuss im Bett liegt, ist sein Stellvertreter Seyyed Taghavi da. Schon die Begrüßungsrede zum „Verständnis zwischen den Religionen“ kann die Kinder nur eine gewisse Zeit fesseln. Als die Fragerunde beginnt, sind viele längst mit anderen Dingen beschäftigt. Also lesen die Erwachsenen die vorbereiteten Fragen vor: Was bedeutet Islam? Kann eine Frau Ayatollah werden? Taghavi nimmt seine Aufgabe ernst und antwortet: Ja, eine Frau könne Ayatollah werden, auch wenn es das bisher nicht oft gegeben habe. Er spricht persisch, ein Gemeindemitglied übersetzt für die Gäste. „Gut“ werden die Kinder später über die Fragerunde sagen, „aber ein bisschen zu lang.“

Danach geht es zur Besichtigung in die Imam-Ali-Moschee, das Herzstück des Islamischen Zentrums. Auf Socken über den prächtigen Orientteppich im Gebetsraum, wo gedämpftes Licht auf die Verzierungen an den Wänden und in der Kuppel fällt. Mücahid, ein zwölfjähriger Junge, demonstriert das muslimische Gebet. Routiniert spricht er die arabischen Formeln – jeder Moslem, egal welcher Muttersprache, bete auf arabisch, erklären die Gemeindevertreter. Mücahid hat türkische Eltern und spricht nicht arabisch. Weiß er, was er sein Gebet bedeutet? „Nein.“

Nach seiner Vorführung beantwortet Mücahid Fragen, erzählt begeistert vom Switch-Projekt und von dem leckeren Essen, das er beim Besuch in den Partnerfamilien gekocht hat. Schnell kommt ein Vertreter der Gemeinde und versucht zu unterbrechen. Unfreundlich weist er darauf hin, dass man ein Kind nicht zur Religion befragen könne. Auskünfte sollten nur Vertreter der Moschee geben.

Im Gebetsraum trägt keine der Besucherinnen ein Kopftuch. Azadeh Kashani ist Perserin und ist heute als Switch-Mutter zu Gast. Sie erzählt, sie habe es im Sommer zum ersten Mal erlebt, dass Besucherinnen die Moschee ohne Kopftuch betreten durften. Bei den Gottesdiensten sei das Kopftuch nach wie vor Pflicht. Auch Seyed Ali Hassani, Sekretär des Ayatollah, sagt, dass beim Gottesdienst alle Frauen ein Kopftuch tragen würden. Er halte das aber für ein Gruppenphänomen: Als Einzige ohne Kopftuch, würde sich schließlich keine Frau wohl fühlen. Karin Christmann