Ortstermin Berliner Umverteil-Kongress: Wie war das mit der Solidarität?
Der Umverteil-Kongress von Verdi und Attac hatte am Wochenende rund 750 Besucher. Sie vereinte der Wille zur Veränderung.

BERLIN taz | „Lauter, lauter“, richten sich ein paar genervte Rufe an den eröffnenden Redner des Kongresses „Umverteilen.Macht.Gerechtigkeit.“ am Freitagabend. Von ganz hinten aus dem fast gefüllten Audimax der TU Berlin ist eine leise Stimme zu hören: „Wie wärs mit einem „bitte“? Wo ist denn hier die Solidarität?“ Um Solidarität wird es im Verlauf des Kongresses noch viel gehen, in über 70 Workshops und 11 Foren mit berühmten Referentinnen und Referenten.
„Im Jahr 2006 hätte jeder deutsche Staatsbürger 70.000 Euro auf der Kante gehabt, wenn das Vermögen aller Deutscher gerecht aufgeteilt worden wäre“, sagt Frank Bsirske, Vorsitzender der Gewerkschaft Verdi, die den Kongress zusammen mit dem globalisierungskritischen Netzwerk Attac initiiert hat.
„Wer von Euch hat schon 70.000 Euro?“, fragt Bsirske die Gäste der Eröffnungsveranstaltung am Freitag und erntet damit Gelächter. Wenn es eine Zahl gibt, die alle Besucher des Kongresses auswendig kennen, dann ist es diese: Den reichsten zehn Prozent der Deutschen gehören zwei Drittel des gesamten Nettovermögens. Dem Rest bleibt da nicht mehr viel.
Die Verteilung von Einkommen und Vermögen sei ein entscheidender Faktor für den sozialen Zusammenhalt einer Gesellschaft, erklärt der britische Gesundheitsökonom Richard Wilkinson, der im vergangenen Jahr mit dem Buch „Gleichheit ist Glück“ einen überraschenden Bestseller landete, in einer anderen Runde. „Je ungleicher verteilt das Einkommen in einem Land ist, desto mehr Probleme tauchen auf.“ Davon seien dann nicht nur die Ärmsten betroffen. „Kindersterblichkeit, Drogenabhängigkeit, Fettleibigkeit, Misstrauen treffen Menschen aller Schichten.“
Bei den Organisatoren ist das mit der ungleichen Vermögensverteilung offenbar nicht so ganz angekommen. Ein Mittagessen kostete 6,50 Euro. „Ich hätte eine Volksküche erwartet“, sagt eine junge Frau, die den Infostand für die am 30. Mai in Frankfurt am Main beginnenden Blockupy-Aktionstage betreut.
Bei ihr ist praktisches Umverteilen möglich, sie verkauft unter anderem Solidaritäts-Bustickets für die Flüchtlinge aus dem Camp am Oranienplatz.
Ein großes Solidaritätsthema sind die Krisen rund um Euro, Staatsschulden und Austeritätspolitik in der Europäischen Union. Spanische Bürgerinnen und Bürger prangern in einem Video die Troika und die deutsche Politik an und verlangen nach Demokratie.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!