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Archiv-Artikel

Ortstermin: „Auf Schicht“ mit Robert Habeck, grüner Spitzenkandidat in Schleswig-Holstein Das Lächeln des Obstverkäufers

Robert Habeck kann gut mit Menschen umgehen und ihnen das Gefühl geben, dass sie bei ihm in guten Händen sind

Mit dem Obst hat er kein Problem, speziell mit Äpfeln kennt Robert Habeck sich aus: „Ich empfehle Elstar“, sagt er. Auch der feine Unterschied zwischen Kresse und Feldsalat ist ihm rasch geläufig auf dem Wochenmarkt in Pinneberg. Robert Habeck, der grüne Spitzenkandidat bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein in zwei Monaten, macht keine schlechte Figur am Stand des Biohofs Schümann aus Brande-Hörnerkirchen. Er ist „auf Schicht“.

So heißt seine Tour durchs ganze Land, auf der er „politische Themen im Praxischeck erleben will“. Er wolle „mit den Menschen arbeiten und in ihrem Alltag erfahren, wo der Schuh drückt“, sagt Habeck. Einen „Praxisschock“ habe er noch nicht erlebt, sagt er, aber „klüger und demütiger“ sei er geworden. Bei der Altenpflege im Seniorenheim zum Beispiel oder bei der Sammeltour in Supermärkten für die Oldesloer Tafel.

Auch hier in Pinneberg, auf dem Wochenmarkt im Stadtzentrum, wurde er erwartet. Die Leiterin der Familienbildungsstelle klagt ihm ihr Leid. Der Etat sei gekürzt worden, nahezu halbiert, so könne es nicht weitergehen. Habeck hört aufmerksam zu, notiert sich Namen und Mailadresse und verspricht, sich zu kümmern, am besten zusammen mit der örtlichen grünen Landtagsabgeordneten Ines Strehlau. Die Leiterin der Familienbildungsstelle wirkt zufrieden. Das sei nett, sagt sie.

Robert Habeck, promovierter Philosoph, Schriftsteller, Vater von vier Söhnen und Fraktionsvorsitzender der Grünen im Kieler Landtag, kann gut mit Menschen umgehen und ihnen das Gefühl geben, dass sie bei ihm in guten Händen sind. Vor zehn Jahren, nach dem Umzug in die Nähe von Flensburg, war er eines Abends als Neumitglied auf die Kreismitgliederversammlung der Grünen gegangen und wurde aus dem Stand zum Vorstandssprecher gewählt. Zwei Jahre später wurde er Landesvorsitzender in Schleswig-Holstein, danach Abgeordneter, Fraktionschef und Spitzenkandidat. Es ist die steile Karriere eines Mannes, dem andere schnell vertrauen und dem niemand etwas Schlechtes nachsagt.

Offen und unverkrampft wirkt der 42-Jährige auch in der roten Schürze hinter dem Gemüsestand. „Darf ich Sie bedienen?“, fragt er fast ein wenig schüchtern, „aber Sie müssen etwas Geduld haben, ich bin hier der Lehrling.“ Augenscheinlich wissen alle KundInnen, wer sie da bedient, einige sind auch extra zum Gucken und Plaudern gekommen. Der Mann, der ab Mai regieren will, redet mit denen, die ab Mai von irgendwem regiert werden, und er vermittelt den Eindruck, sie ernst zu nehmen. „Das Lächeln ist nett“, flüstert eine Kundin beim Weggehen ihrer Freundin zu. Das kann ja auch nicht schaden.

Viele Termine, die Robert Habeck „auf Schicht“ macht, sind an ihn herangetragen worden. Einige wurden von Grünen vor Ort organisiert, immer mehr jedoch sind Einladungen. Die Müllabfuhr auf Sylt gehört dazu, wo Robert Habeck demnächst mit anpacken wird. Oder der Schornsteinfegermeister, der ihn mitnimmt in Keller und auf Dächer. Beides im weitesten Sinne ökologische, also grüne Themen, aber es gibt auch andere: In der Nacht zu Sonntag wird Robert Habeck auf Streife gehen, von 22 Uhr bis 6 Uhr morgens mit der Polizei durch Elmshorn. Er habe „keine Ahnung, was mich da erwartet“, sagt Robert Habeck, aber neugierig sei er auf jeden Fall. Von Berührungsängsten zwischen dem Grünen und den jetzt Blauen keine Spur.

Hier auf dem Wochenmarkt in Pinneberg ist keine Polizei. Robert Habeck, inzwischen einer der bekanntesten Politiker in Schleswig-Holstein, bewegt sich unbewacht an dem Stand, an dem im Laufe einer Stunde Hunderte von Menschen vorbeikommen. Und am Ende seiner Schicht hat er sogar die meisten Codes parat, die er in die Kasse eingeben muss, damit Feldsalat nicht als Kresse berechnet wird.

SVEN-MICHAEL VEIT