: Ortega kündigt Waffenruhe
Gestern morgen erklärte Nicaraguas Präsident den einseitigen Waffenstillstand gegenüber der Contra für beendet / Bush droht mit neuer Contra-Hilfe ■ Aus Managua Ralf Leonhard
Seit 1.November herrscht in Nicaragua wieder offener Krieg. Präsident Daniel Ortega erklärte am Mittwoch zur ungewöhnlichen Stunde von 6 Uhr morgens in einer Rundfunkansprache, daß die Waffenruhe, die Monat für Monat einseitig verlängert worden war, erst dann wieder in Kraft trete, wenn die Demobilisierung der Contras begonnen habe. Das Präsidentenabkommen von Tela vom vergangenen 7.August sieht die Auflösung der erfolglosen Konterrevolutionäre bis spätestens 5.Dezember vor. „Wenn Ihr wirklich die Demokratie unterstützen wollt, dann löst die Contra auf“, sagte der Staatschef an die Adresse der USA gerichtet, wo die Nachricht vom bevorstehenden Ende der Waffenruhe, nicht aber die fortgesetzten Überfälle der Contras große Bestürzung ausgelöst hatte.
Nicaragua schlägt nun für den 6. und 7.November ein Treffen mit dem Präsidenten von Honduras, Azcona, Vertretern der Internationalen Grenzüberwachungskommission (CIAV) und Kommandanten der Contras am Sitz der Vereinten Nationen vor: „Nicht um den Waffenstillstand zu verlängern, sondern um den Krieg zu beenden.“ Gleichzeitig versprach der Staatschef, seine Regierung werde alles unternehmen, um einen ungestörten Verlauf der Wahlen zu garantieren. Auf einer Pressekonferenz in Managua sagte er am Mittwoch, ob die Wahlen stattfinden könnten, hänge einzig und allein von den USA ab.
Die Regierung hat die Entscheidung über den Neubeginn der Offensivaktionen bis zum letzten Moment hinausgeschoben, weil mehrere lateinamerikanische Staatschefs intervenierten, um Ortega umzustimmen. Letzten Endes gaben jedoch innenpolitische Überlegungen den Ausschlag. In den vergangenen drei Wochen sind mindestens 1.100 Contras aus Honduras eingesickert und verunsichern weite Teile des nördlichen und zentralen Berglandes. Und Contra-Kommandant Enrique Bermudez hat offen erklärt, seine Leute hätten die Aufgabe, einen sandinistischen Wahlsieg zu verhindern. „Zu lange haben wir die andere Wange hingehalten“, sagte Ortega in seiner Ansprache: „Wir haben die vorrangige Pflicht, das Leben unserer Bürger zu schützen.“
Nicaraguas Verteidigungsministerium meldet täglich schwere Verstöße der Contras gegen die Waffenruhe. Am Dienstag reiste Daniel Ortega in die entlegene Region Rio San Juan, wo Contras am Vortag eine Agrargenossenschaft überfallen und vier Campesinos getötet hatten. Im Gemeindehaus der Provinzhauptstadt San Carlos konfrontierte Ortega auch die Wahlbeobachter von UNO und OAS sowie den politischen Sekretär der US-Botschaft mit den Leichen der Bauern. „Diese Toten sind meine Nachricht an Präsident Bush, der die Waffen geliefert hat“, sagte Daniel Ortega.
Das bevorstehende Ende der Feuerpause, das den meisten Nicaraguanern als verständliche und notwendige Reaktion auf die Eskalation der letzten Wochen erschien, war in den USA als Vorbereitung eines Wahlbetruges dargestellt worden. Dementsprechend heftig waren die Kommentare von Politikern und Meinungsmachern in Washington. Präsident Bush hatte bereits am Vortag damit gedroht, die Hilfe an die Contras wiederaufzunehmen, falls Nicaragua die Waffenruhe beende. Bush will die Konterrevolutionäre als Druckmittel bis mindestens zu den Wahlen vom 25.Februar erhalten. Auch lateinamerikanische Politiker wie Argentiniens Präsident Menem fanden Ortegas Schritt zumindest unbedacht und gefährlich für den Fortschritt des zentralamerikanischen Friedensprozesses.
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