Orientierung bei Ratten: Sicherheit durch Schnurrhaare
Wenn ein Sinn ausfällt, fährt man den anderen hoch: Ratten nutzen ihre Schnurrhaare, um sich im Dunkeln voranzutasten.
Ratten können offenbar nicht nur extrem gut riechen und hören. Sie nutzen auch, wie englische Forscher ermittelten, ihre Schnurrhaare, um sich in der Welt zurechtzufinden. Ein Forscherteam der Universität Sheffield brachte den – bekanntermaßen sehr gelehrigen – Nagern bei, in verschiedenen Hindernisparcours nach Futter zu suchen. Dabei stellte man sie vor unterschiedliche Herausforderungen: So legte man ihnen beispielsweise unerwartete Hindernisse in den Weg oder man ließ sie durch völlige Dunkelheit laufen. Und währenddessen filmte man die Tiere mit Hochgeschwindigkeitskameras, wobei man einen besonderen Schwerpunkt auf die Bewegungen der Schnurrhaare setzte.
Dabei zeigte sich, dass die Nager, je nachdem wie gut sie ihre Umgebung kannten, ihre Schnurrhaare auf ganz unterschiedliche Weise einsetzten. So wedelten sie damit in extrem weiten Bögen, wenn ihnen der Parcours völlig unbekannt war. Und wenn man dann auch noch das Licht ausstellte, streckten sie die Haare auch noch weit nach vorn. Offenbar war ihnen klar, dass im Dunkeln eher Zusammenstöße mit Hindernissen drohen, und deswegen wollten sie sich mit Hilfe ihrer tastenden Schnurrhaare besonders gut absichern.
Studienleiter Tony Prescott sieht hier durchaus Parallelen zum Menschen: „Wenn sich eine Person im Dunkeln bewegt, benutzt sie zwar nicht ihre Haare, aber Hände und Finger, um Gegenstände und Hindernisse zu ertasten und nicht mit ihnen zusammenzuprallen.“ Nach dem Muster: Wenn ein Sinn ausfällt, muss man eben den anderen hochfahren. Und wenn wir im Dunkeln, aber ansonsten in bekannter Umgebung sind, bewegen wir uns schneller und wir recken unsere Hände ohne Wedeln nur noch gerade nach vorn – genau wie die Ratten es mit ihren Schnurrhaaren machen.
Denn in bekanntem Terrain hilft ja der Zugriff aufs Gedächtnis, sodass man Energien sparen und den Tastsinn nur in der Light-Version einsetzen kann, um Zeit und Energien zu sparen. Und genau das machen auch die Ratten: In bekannter Umgebung verzichten sie aufs Wedeln der Haare und recken sie nur noch gerade nach vorn.
Die klugen Nager dosieren also den Einsatz ihrer Schnurrhaare in Abhängigkeit von ihren geografischen Kenntnissen, und das unterscheidet sie von der Katze, die sich ja bekanntlich auch mit Hilfe ihres Oberlippenbewuchses orientiert. Allerdings nutzt der miauende Rattenjäger wiederum seine Schnurrhaare, um seine Stimmung zu kommunizieren: Wenn sie nach hinten gerichtet sind, gibt es bald Ärger; wenn sie breit ausgefächert sind, ist die Katze wach und voll fokussiert. Von Ratten kennt man so etwas bisher nicht – aber sie wollen ja auch nicht vom Menschen verstanden werden.
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