■ Organisierte Unverantwortlichkeit: Zähe Bürokratie
Bürokratien führen bekanntermaßen ein zähes Eigenleben, das gegen jegliche Reformen eine Resistenz entwickelt. Zu den proklamierten Daseinszwecken eines Politikers hingegen gehört, daß er Veränderungen anstrebt. Um diesen vermeintlichen Widerspruch in Einklang zu bringen, hat die Politik im Laufe der Jahre eine Reihe von Instrumentarien entwickelt, zu deren ausgereiftesten das Gutachten und der Prüfauftrag gehören. Mit ihnen läßt sich Politik trefflich simulieren. Mittels dieser Maßnahmen erweckt der Berliner Senat seit Jahren den Eindruck, die Reform der Verwaltung zu betreiben, ohne daß diese je erschütternden Eingriffen ausgesetzt gewesen wäre. Dabei existieren eine Reihe guter Vorschläge. Daß sie ein kümmerliches Dasein auf Symposien fristen, liegt im wesentlichen in der Kongruenz begründet, die sich in Berlin zwischen Verwaltungs- und Parteienstrukturen entwickelt hat.
Das System organisierter Unverantwortlichkeit der Behörden entspricht trefflich einem politischen Koordinatensystem, in dem der Versorgungsanspruch eine feste Größe ist. Wen wundert's, wenn die Vergabe von Abteilungsleiterposten inoffizieller und damit in der Regel spannendster Tagesordnungspunkt einer Bezirksversammlung von SPD oder CDU ist und wenn sich Facharbeitskreise beider Parteien um die flächendeckende Besetzung ganzer Besoldungsgruppen bemühen – so seit Monaten bei der Polizei zu beobachten. Bei den Ordnungshütern kann man zur Zeit auch schön den zweiten Stabilitätsfaktor überkommener Verwaltungsstrukturen betrachten – die Klientelwirtschaft. Selbst ein so simpler Akt wie die Reduzierung der Arbeitsstunden pro Schicht von 12 auf 8 scheitert dort an der vereinten Resistenz von Personalvertretung und CDU-Sicherheitspolitikern – obgleich dadurch 800 Polizisten freigesetzt werden könnten. Wer entsprechende Lobbykombinationen zwischen Gewerkschaften und SPD erforschen will, dem seien zum Studium die Eigenbetriebe empfohlen. Dieter Rulff
Siehe auch Bericht auf Seite 18
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen