■ Nachschlag
: Optisch ein türkischer Frank Zappa: Baris Manco war im Tempodrom

„All the motherfuckers in the house – are you ready?“ Die routinierte Cartel-Crew gibt sich alle Mühe, Stimmung aufkommen zu lassen. Leider mit der falschen Frage an das falsche Publikum: Auf den Tempodrom-Rängen sitzen hauptsächlich Kinder im Vorschulalter, gesetzte Familienväter und Mütter im Kostüm oder mit Kopftuch. Nur ein paar kleine Mädchen tanzen ausgelassen zu den HipHop-Beats, selbst die vielen türkischen Girlies, die Bomberjacken und die Anzugträger sind nicht gekommen, um Cartel zu sehen. Alle warten auf Baris Manco, die türkische Rocklegende. „Wegen der Kinder“ beginnt das Konzert bereits am späten Nachmittag, denn ein Baris- Manco-Konzert ist ein Fest für die ganze Familie. Und CartelBaris Manco Foto: promo spielen als Vorgruppe, um ihren „maximum respect to the Godfather“ zu bekunden.

Als dieser endlich im goldglänzenden Jackett und mit einem Teddy in der rechten Hand die Bühne betritt, läßt der frenetische Jubel sofort vergessen, daß das Zelt nur halb gefüllt ist. Optisch so auffällig wie ein türkischer Frank Zappa, ist Baris Manco musikalisch weniger revolutionär: Rock, Pop, Balladen, eingängige Refrains zum Mitsingen und –klatschen. Seine besten Zeiten hatte Baris Manco in den Siebzigern, mittlerweile sieht man ihn nur noch gelegentlich im Fernsehen. Mit langer Hippiemähne und –bart, mit schweren Ringen und ausgefallenen Klamotten würde man nicht annehmen, daß ihm viele Türken so ohne weiteres ihre Kinder anvertrauen. Doch in den letzten Jahren bestand Baris Mancos Hauptbeschäftigung darin, die populäre Kindersendung „von 7 bis 77“ zu moderieren. Wohl darum hat seine Bühnenshow streckenweise einen Hauch von Sesamstraße. Aber glücklicherweise wird alternden Rockstars in der Türkei Achtung entgegengebracht – und das generationenübergreifend. Am Schluß werden dann auch die bösen Buben von Cartel in die Familie integriert. Zum Finale rappen sie gemeinsam mit dem Meister, und der sieht neben den Schirmmützenträgern tatsächlich kein bißchen alt aus. Daniel Bax