■ Querspalte: Optimales Umfeld nutzen!
Die besten Ideen liegen auf der Straße. Genauer gesagt: auf der Autobahn. Dort an der A 9 zwischen Hof und Bayreuth wurde soeben der Autohof „Münchberg“ eröffnet. Wer im Kellergeschoß die modernen sanitären Anlagen aufsucht, erfährt eine völlig neue Dimension der Pinkelpause – vorausgesetzt er ist männlichen Geschlechts. Der obere Teil der Pissoirwand, jener letzte halbwegs weiße Fleck in unserer Mediengesellschaft, wurde endlich einer sinnvollen Bestimmung zugeführt: In großen Schaukästen hängt jetzt die Bild-Zeitung aus.
Die Erfindung ist genial, wirft aber zugleich eine Reihe von praktischen Fragen auf. Was soll zum Beispiel derjenige machen, der kein Bild lesen will? Die Augen schließen? Oder einfach umdrehen? Würde ich nicht empfehlen. Hinter mir standen zwei rüstige Fernfahrer. Über meine Schulter hinweg studierten sie seelenruhig die Bundesliga-Ergebnisse. Weiter: Wie soll sich der Leser beim Hinweis „lesen Sie bitte weiter auf Seite 6“ verhalten? Darf er gleichsam im fliegenden Wechsel einige Becken weiter nach rechts rücken? Oder muß der Vorgang jeweils abgebrochen und neu eingeleitet werden?
Was verspricht sich Bild davon? Der Autobahnversuch könnte interessante Marktforschungsergebnisse zeitigen: Zunächst muß ermittelt werden, wie lange pinkelt der Mann, wie oft und in welcher Entfernung vom Becken? Daraus folgt dann die künftige Länge der Artikel, ihre Anzahl und die nötige Schriftgröße. Ein Grund für die Aktion könnte auch daran liegen, daß Anzeigenkunden ein optimales Umfeld geboten werden soll. In der Ausgabe, die ich im Münchberger Superklo studiert habe, waren es unter anderem die Biermarke Veltins, RTL 2, Pro 7 und die Privatklinik Villa Medica (Prostata, operationsloses Verfahren).
Angesichts der Tatsache, daß heute selbst kleine Marktnischen umkämpft sind, muß ich mich über die Untätigkeit der anderen Großverlage wundern. Bauer, Burda, Gruner + Jahr, aufwachen! Es geht um die Reichweite! Dirk Maxeiner
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