■ Optimale medizinische und psychologische Betreuung für Folteropfer: Zerstörte Menschenwürde
Optimale medizinische und psychologische Betreuung für Folteropfer
Zerstörte Menschenwürde
„Das Behandlungszentrum ist politisch absolut neutral. Es bietet, einzigartig in Deutschland, interdisziplinäre Therapie (körperlich, seelisch, sozialfürsorglich) für Menschen, die in ihrer individuellen Selbstbestimmung (politisch, religiös, kulturell) vernichtet werden sollten, als Flüchtlinge in einem fremden Land zusätzlich traumatisiert sind, deren ganzer Körper vor Schmerz schreit. Diese Hilfe ist auch eine aktive Absage an jeglichen totalitären Zugriff auf das Individium und seine Menschenwürde.“
Mit dieser Begründung verlieh die Münchener Abendzeitung den Mitarbeitern des Behandlungszentrums für Folteropfer die Auszeichnung „Stern des Jahres 1993“, mit der Künstler, Journalisten und Bürgerinitiativen, die etwas Außergewöhnliches geleistet haben, gewürdigt werden.
Diese Würdigung soll nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Gründer, eine Gruppe ausländischer und deutscher Ärzte aus dem Umkreis der Ärztekammer Berlin und ihres Präsidenten Ellis Huber, in ihren drei Jahre langen Bemühungen, das Projekt zu verwirklichen, mit erheblichen Widerständen zu kämpfen hatten. Diese kamen sowohl von einigen Bonner und Berliner Ministerialen als auch von Teilen der Flüchtlingssolidaritätsszene. Erstere hielten das Projekt für überflüssig, da es doch bereits genug soziale Einrichtungen für Flüchtlinge gebe, letztere sahen darin ein von Ärzten dominiertes elitäres Projekt, das den eigentlichen Problemen von Flüchtlingen in diesem Land nicht gerecht werde. Die Ergebnisse von zwei Jahren praktischer Arbeit mit insgesamt zirka 300 Patienten haben solcherlei kleinkarierte Kritik längst widerlegt.
In anderen europäischen Ländern existierten schon seit Jahren medizinisch-psychosoziale Zentren für die Rehabilitation von Folter-Traumatisierten. In Deutschland dagegen hatten sich Ärzte mit diesem Thema kaum befaßt. Obwohl schon in den sechziger Jahren, als Tausende von KZ-Überlebenden im Rahmen der Wiedergutmachung Behandlung und ärztliche Begutachtung brauchten, die Einrichtung eines solchen Zentrums notwendig gewesen wäre.
Anfang der achtziger Jahre hatten Psychologen und Sozialarbeiter in Frankfurt und Köln psychosoziale Beratungsstellen für Flüchtlinge gegründet, in denen auch Folter-Traumatisierte erfolgreich behandelt wurden. Aus diesen Einrichtungen war immer wieder zu hören, daß die Zusammenarbeit mit Ärzten in Klinik und Praxis mangelhaft war und eine engere Einbindung von Ärzten in die Arbeit der Beratungsstellen wünschenswert wäre. Diesem Mißstand wollten die Gründer des Berliner Zentrums abhelfen. Als Vorbild dienten die Zentren in England und skandinavischen Länder, in denen Ärzte, Krankengymnastinnen, Psychologen und Sozialarbeiter im Team zusammenarbeiten.
Entscheidende Schützenhilfe für die Gründung kam vom Präsidenten des Deutschen Roten Kreuzes, Prinz Botho zu Sayn-Wittgenstein, der erkannte, daß Deutschland der europäischen Entwicklung nicht weiter hinterherhinken dürfe. Seitens des Berliner Senats machten sich lediglich die Ausländerbeauftragte Barbara John und die Sozialsenatorin Ingrid Stahmer für das Projekt stark. Der Durchbruch kam Anfang 1992, als Staatssekretär Hasinger vom Bonner Familienministerium die Finanzierung der Personalkosten zusagte.
Berichte von amnesty international, World Watch und der UNO-Menschenrechtskommission belegen das fürchterliche Ausmaß der Folterpraktiken in fast allen Ländern der Erde, besonders in der „Dritten Welt“. ai bezeichnet die „Folter als Geißel des Jahrhunderts“. Folter war und ist ein Hauptinstrument der Herrschenden zur Unterdrückung jeglicher abweichender Meinung. Es gehört zum Prestige eines Herrschers, daß er gnadenlos mit seinen Widersachern umgeht.
In den geschichtlichen Schilderungen, alten Dichtungen und der Prosa der arabischen Literatur wird berichtet über diese sehr alte, weitverbreitete und ganz „normale“ Erscheinung. Feinde, Opponenten, Reformer, Dichter, einfache Menschen, die Gerechtigkeit suchten, waren und sind heute noch Opfer von Folterpraktiken. Die „Arab Organization for Human Rights“ (Arabische Gesellschaft für Menschenrechte) informiert seit Jahren über diese Geißel am Beispiel der arabischen Länder und kämpft gegen die Folterpraxis. Ärzte, Ingenieure, Uni-Professoren, Schriftsteller, Gewerkschafter, Studenten, Arbeiter und andere werden ohne Gerichtsverfahren inhaftiert und gefoltert. Zeitdokumente wie „Die Folter“ von Henri Alleg (Algerien), „Die nackten Füße“ von Taher Abdel Hakim (Ägypten) und Prosaarbeiten von Gamal Al-Ghitani (Ägypten) geben ein reales Bild von dem, was geschehen ist und noch täglich geschieht.
Folteropofer verdienen genauso Aufmerksamkeit wie Kriegsopfer, sie stehen hilflos gegenüber einer grausamen Macht der Unmenschlichkeit. Wir sind alle gefordert, gegen Folter zu protestieren und Folteropfern optimale medizinische und psychologische Behandlung zu gewähren.
Deshalb ist es dringend nötig, dieses Zentrum finanziell zu unterstützen. Trotz der jährlichen Bundeshilfe ist das Zentrum auf Spenden angewiesen. Das Behandlungszentrum für Folteropfer in Berlin leistet trotz des kurzen Bestehens bereits eine gute und anerkannte Arbeit. Dr. Hamid Fadlalla, Berlin
Spendenkonto des Behandlungszentrums für Folteropfer: Deutsche Apotheker- und Ärztebank Kontonummer: 0203074234, BLZ: 100 90603
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