Opposition gewinnt Wahlen in Pakistan: Musharraf abgestraft

Die großen Oppositionsparteien erreichten rund 60 Prozent der Stimmen. Ob sie jetzt auch eine regierungsfähige Mehrheit zustande bringen, ist noch offen.

Auf den Straßen im ganzen Land feiern Oppositionsanhänger ihren Sieg. Bild: reuters

ISLAMABAD taz Nach dem überwältigenden Sieg der Opposition bei den Parlamentswahlen am Montag atmet Pakistan auf. Bereits nach den ersten Ergebnissen am Montagabend sind in allen Städten des Landes Anhänger der beiden großen Oppositionsparteien auf die Straßen gegangen und haben bis tief in die Nacht gefeiert. In Islamabad sind vor allem Anhänger der Pakistanischen Volkspartei (PPP) der ermordeten Benazir Bhutto in Autokorsos durch die Stadt gezogen. In Rawalpindi vor den Toren der Hauptstadt haben so viele Anhänger der PPP mit Anhängern von Nawaz Sharifs Mulslimliga (PML-N) ihren Sieg auf den Straßen gemeinsam gefeiert, dass zeitweise der Verkehr in der gesamten Innenstadt zusammengebrochen ist.

Am Dienstagabend führte die Pakistanische Volkspartei (PPP) der ermordeten Benazir Bhutto mit 87 der 272 Sitze im Nationalparlament vor Nawaz Sharifs Muslimliga (PML-N) mit 66 Sitzen. Die Partei der "Königsmacher", die Musharraf-Unterstützerpartei PML-Q, lag weit abgeschlagen auf dem dritten Platz und errang nur 38 Sitze.

Die Menschen haben damit nicht nur den umstrittenen Präsidenten Pervez Musharraf abgestraft. Im Nordwesten des Landes, eigentlich der Hochburg der Islamisten, errang die MMA, eine Allianz aus mehreren religiösen Parteien, gerade einmal drei Sitze. Die Menschen in Peschawar, der Hauptstadt der unruhigen Nordwestprovinzen, tanzten vor Freude auf den Straßen. Ein Rikschafahrer sagte einem Reporter der Tageszeitung Dawn: "Diese Mullahs haben uns ins Unglück gestürzt." Die Menschen in der Region seien froh, dass diese "religiösen Fanatiker" so klar verloren hätten.

Der demokratische US-Senator John Kerry erklärte in Islamabad, er wünsche sich nun eine Politik, die zu dem pakistanischen Volk spreche. Er sagte: "Es ist unser Bestreben, dass nun die Träume und Hoffnungen umgesetzt werden, die Pakistans Menschen durch die Wahl ausgedrückt haben."

Dennoch war die Anspannung der letzten Wochen auch am Wahltag zu spüren. Aus Angst vor Anschlägen und gewalttätigen Ausschreitungen durch Anhänger der Musharraf-Unterstützerpartei blieben die meisten Wähler zu Hause. Landesweit sind wohl weniger als 40 Prozent der Stimmberechtigten an die Wahlurnen gegangen. Aus manchen Wahlkreisen wurde berichtet, Anhänger der PML-Q hätten Wähler anderer Parteien gewaltsam an der Abstimmung gehindert. Mindestens 24 Menschen kamen bei solchen Zusammenstößen ums Leben.

Auch mehren sich Berichte über Unregelmäßigkeiten. Bereits vor einigen Tagen hatte die Organisation Human Rights Watch auf Manipulationen verwiesen. Der SPD-Bundestagsabgeordnete und Wahlbeobachter Sebastian Edathy sagte, viele Wähler hätten mehrfach abstimmen können, während Anhänger der Oppositionsparteien von der Wählerliste gestrichen worden seien. Die EU-Wahlbeobachtermission unter der Leitung des deutschen EU-Abgeordneten Michael Gahler möchte am Mittwoch in Islamabad das Ergebnis ihrer Beobachtungen vorlegen.

Daher ist bei den Menschen in Pakistan die Freude auch deswegen so groß, weil die beiden großen Oppositionskräfte trotz der erwarteten Manipulationen klar gewonnen haben. Und es könnte auch gar nicht mehr ins Gewicht fallen: Denn die Musharraf-Partei PML-Q steht vor dem Aus. Viele ihrer Anführer haben kein Mandat erhalten. Nawaz Sharifs PML-N hat die abtrünnigen Mitglieder PML-Q dazu eingeladen, sich wieder Sharifs Partei anzuschließen. Denn viele der Musharraf-Unterstützer stammen ursprünglich aus der Nawaz-Muslimliga. Vertreter der PML-Q räumten ihre Niederlage ein und kündigten an, sie würden im neuen Parlament in die Opposition gehen. Präsident Pervez Musharraf sagte, er akzeptiere das Ergebnis der Wahl als "Stimme des Volkes" und werde mit jedem Premier zusammenarbeiten.

Dennoch stehen schwierige Verhandlungen bevor. Denn nach den aktuellen Ergebnissen ist keine Partei dazu in der Lage, alleine den Premierminister zu stellen. Nawaz Sharif kündigte von seiner Wahlkampfzentrale in Lahore aus an, er werde sich am morgigen Donnerstag mit dem inoffiziellen Volkspartei-Chef, Benazir Bhuttos Witwer Asif Ali Zardari, in Islamabad treffen. Er sagte: "Alle demokratischen Parteien müssen sich jetzt vereinigen." Außerdem müsse jede kommende Regierung dafür sorgen, die Justiz des Landes wiederherzustellen. Musharraf hatte am 3. November den Notstand verhängt, mehr als die Hälfte der höheren Richter entlassen und viele von ihnen unter Hausarrest gestellt, als das Oberste Gericht des Landes drohte, seine Wiederwahl zum Präsidenten zu kippen.

Sharif sagte, die wiederhergestellte Justiz solle dann über die Zukunft Musharrafs entscheiden, was mit Sicherheit das politische Ende des umstrittenen Präsidenten bedeuten würde. Zardari äußerte sich dazu bislang nicht. Er hatte aber immer wieder erklärt, er wolle an den neuen Richtern festhalten und im Fall eines Wahlsieges seiner Partei mit Musharraf zusammenarbeiten, obwohl er ihm zugleich immer wieder vorgeworfen hatte, für den Mord an seiner Frau Benazir Bhutto verantwortlich zu sein.

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