Opel verlagert Produktion: Rüsselsheim bald ohne Astra?
Das wichtigste Modell des Autokonzerns könnte bald nur noch in Polen und England produziert werden, was eine Gefahr für deutsche Standorte ist.
RÜSSELSHEIM dpa | Ausgerechnet für das beliebteste aktuelle Opel-Modell soll „Made in Germany“ künftig nicht mehr gelten. Im Kampf gegen ausufernde Kosten, chronische Absatzschwäche und Milliardenverluste setzt das Management auf billigere Produktion im Ausland. Nach den Plänen soll der Astra künftig nicht mehr im Stammwerk Rüsselsheim vom Band rollen, sondern nur noch in Polen und England.
„Das wäre nicht nur eine weitere unternehmerische Fehlentscheidung in der langen Kette der Fehler ..., es wäre auch eine Kampfansage an die Belegschaften in allen deutschen Standorten und an die IG Metall“, warnt IG Metall-Bezirksleiter Armin Schild, der auch im Opel-Aufsichtsrat sitzt. Besonders für Bochum könnte es eng werden.
Zunächst wäre die Produktionsverlagerung aber für die 3200 Opelaner in der Rüsselsheimer Fertigung ein herber Schlag, wie Gesamtbetriebsratschef Wolfgang Schaefer-Klug betont: „Im zweiten Halbjahr 2012 wird jedes zweite in Rüsselsheim produzierte Auto ein Astra sein. Es wäre eine verheerende Fehlentscheidung, wenn nach Auslauf des derzeitigen Modells kein Astra mehr in Deutschland gefertigt werden würde.“
Die Angst am Stammsitz
Schon steigt die Angst bei den Beschäftigten am Stammsitz. „Wenn man Fahrzeuge abzieht, ist das Werk hier nicht mehr ausgelastet und dann werden wieder Mitarbeiter zur Disposition stehen“, warnt Betriebsrat Bernd Wieme. Denn Überkapazitäten sind teuer. Diese schmerzhafte Erfahrung muss Opel seit Jahren machen – obwohl erst vor gut einem Jahr ein Werk geschlossen und 9.000 der vormals 48.000 Stellen abgebaut wurden.
In Gewerkschaftskreisen wird bereits befürchtet, dass die Strategie des Managements von Opel und der US-Mutter General Motors (GM) paradoxerweise gerade einen der modernsten Standorte des Herstellers durch geringe Auslastung extrem verteuert - und so das schleichende Ende des Stammwerks verursachen könnte.
Zumal Opel-Chef Karl-Friedrich Stracke den Dreischichtbetrieb in allen Fabriken zur Regel machen will - wodurch bei konstantem Absatz andere Standorte zwangsläufig überflüssig werden. „Es geht darum, von Westen nach Osten zu gehen. Wenn die Kapazitäten in Polen ausgelastet sind, wandert Opel weiter nach Rumänien oder Bulgarien“, schimpft ein Insider.
Bochum in Not
Wahrscheinlicher als eine Radikalkur in Rüsselsheim ist jedoch ein anderes Ziel. Das schon oft angedrohte Aus für den Standort Bochum. Denn die freien Kapazitäten in Rüsselsheim könnten etwa dadurch wieder aufgefüllt werden, dass der Zafira statt im Ruhrgebiet in Hessen vom Band rollt. Auch die IG Metall sieht das Werk Bochum gefährdet. Die dortige Produktion könne „wie auf dem Verschiebebahnhof“ nach Rüsselsheim verlagert werden.
Die Gewerkschaft sieht den sozialen Frieden bedroht und kündigt einen harten Kampf an: „Der Opel-Vorstand muss wissen, dass wir uns auf keinen Fall erpressen lassen.“ Schild verlangt einen Geschäftsplan, der alle vier deutschen Standorte sichert. Anderenfalls gebe es keine Unterstützung für das Management: „Dann wird Opel wieder monatelang mit schlechten Nachrichten statt mit guten Autos von sich reden machen.“
2011 baute Opel fast 330.000 Astra, das Modell ist damit das mit Abstand wichtigste des Herstellers. „Das Volumen erreicht aber nicht annähernd die Zahlen des VW Golf. Deshalb kann Opel in Deutschland kein Geld verdienen“, sagt Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler. Der Auto-Analyst sieht schon lange in der Produktion am teuren Standort Deutschland bei zu geringen Stückzahlen einen Hauptgrund für die Malaise bei Opel. Die Fertigung in Deutschland könnten sich nur Premiumautobauer wie Mercedes und BMW oder große Volumenhersteller leisten: „Aber Opel ist ein Massenhersteller ohne große Masse.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund