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Onlinewahlkampf der PiratenEinzigartig? Nicht im Netz!

Innovativ, klassisch oder peinlich? Wir analysieren, wie sich die Parteien während des Wahlkampfes im Netz schlagen. Dieses Mal: Die Piraten.

Viel los, viel durcheinander: Piraten im Netz. Bild: dpa

„Klar zum ändern" - doch die Piraten ändern online erst mal wenig. Die Homepage ist ein simpler Blog in den Grundfarben schwarz-weiß-organe, den Schlachtfarben der Seeräuber im politischen Meer. Ganz oben auf der Seite führen Links zu Wahlprogramm und Spendenkonto. Die Kandidaten-Seite präsentiert unscharfe Fotos von unbekannten Menschen. Wer mehr über sie erfahren will, landet anstatt auf der entsprechenden Vita erstmal im Nichts. Nur gut, dass die Partei auf ihrer Seite nach einem IT-Experten sucht.

Auf der Hauptseite folgt ein Newsblog, Schlagwörter, Kategorien. Einziger Appetithäppchen fürs Auge: Wechselnde Fotos zu Topthemen und den aktuellen Wahlplakaten. Natürlich ist auf der Seite auch das vieldiskutierte LiquidFeedback-Forum zu finden, in dem die Parteimitglieder ihre Diskussionen führen. Der Link führt in eine neue, unbekannte Welt - eine Welt, die durch einen Login verschlossen wird. Transparenz sieht anders aus.*

Yeah! Die Piratenpartei hat einen Youtube-Channel. Erstes Video: Der Wahlspot zur Bundestagswahl 2013. Der Film bekommt viel Lob im Netz („Beste Wahlwerbung von allen Parteien“), wird aber auch diskutiert („Leider ist es sehr schwer nachzuvollziehen, was wirklich passieren würde, wenn man entsprechende Drogen legalisieren würde“).

Und sonst: Marina Weisband erklärt moderne Drogenpolitik und eine Moderatorin mit dem Namen FlowJobs interviewt Piratenkollegen zu aktuellen Wahlthemen. Schlaue Idee: Das alles passiert in einem Taxi auf der Fahrt durch Berlin.

Auf Facebook postet die Partei lustige Fotomontagen mit provakanten Sprüchen zur Stimmungslage der Piraten auf rauer Wahlkampfsee: „Testbild spannender als TV-Duell!“ Darunter hunderte Kommentare, teilweise wird diskutiert, oftmals nur schwadroniert. Social Media bei anderen Parteien sieht ähnlich aus. Immerhin: Über 83.000 Leute liken die Seite, fast doppelt so viele //www.facebook.com/CDU:wie bei der CDU.

//twitter.com/Piratenpartei:Auch bei Twitter schreiben viele Infos über die Piraten. Doch ein wirklicher Austausch unter den Usern findet nicht statt: Dorothee Bär von der CDU fragt auf Twitter: „CDU/CSU haben das verständlichste Wahlprogramm aller Parteien. Die Piratenpartei das mit Abstand unverständlichste. Absicht?" Die Antwort der Piraten: Keine. Dialog? Fehlanzeige.

Der Chef der Partei - Bernd Schlömer - grinst sich durch alle Känale der Partei. Sympathischer Typ von nebenan mit Schal und Schiebermütze. Und sonst? Die Piraten wollen keine Gurus, keine Oberhäupter, keine Vorhut, keine Mutti und keinen Kanzlerkandidaten. Freie Wahlen der Parteispitze, das ist oberstes Credo der Piraten.

Bernd Schlömer ist trotzdem die Galionsfigur der Piraten, tritt in Talkshows auf, redet mit Sarah Kuttner und twittert. Bemerkenswert für den Piraten-Chef: Er unterhält keine private Homepage mit eingescannter Unterschrift, Autogrammbild mit Krawatte und einer „verheiratet und zwei Kinder“-Memo!

Modern im Internet heißt: Weniger ist mehr! Manchmal ist das aber zu wenig: Nur 10.000 Leute folgen ihm bei Twitter - nicht besonders viel für den Vorsitzenden einer Partei, deren Hauptthema das Internet ist. Zum Vergleich: Der Twitterkönig der Bundesregierung, Peter Altmaier, hat 46 000 Follower.

Susanne Wiest, Grundeinkommens-Aktivistin aus Greifswald, bloggt ihre Forderungen auf rosa Hintergrund und mit zahlreichen Sonnenaufgang- und Sonnenuntergangsbildern. Geschmacklich zweifelhaft wird zwar ihr Hauptanliegen schnell deutlich („Grundeinkommen“), alles weitere ist im Dschungel aus rosa und Sonnenstrahlen mühsam zu suchen.

Die Synchronsprecherin Anne Helm, Direktkandidatin der Piraten in Berlin-Neukölln, macht das anders: Ihre private Homepage erinnert an die Anfänge des Internets. Schwarz auf weiß, große Schrift: „Hanfparade - meine Wahl, Hanf legal!“

Richtig gut ist die Online-Plattform Openantrag. Das oberste Anliegen der Piraten ist die Mitbestimmung. Auf Openantrag.de kann man politische Ideen formulieren - wenn ein Fraktionsmitglied sich dem Wunsch annimmt, wird es auf schnellstem Wege in einem Parlament diskutiert. Natürlich können Bürger ihre Vorschläge auch ganz klassisch an Politiker senden - der Vorteil von Openantrag: Alles ist öffentlich, keine Anregung verschwindet ungelesen im Mülleimer. Die Seite ist zur Abwechslung erstaunlich professionell programmiert - und ist überzeugend übersichtlich gestaltet.

Skandale gibt es bei den Piraten ständig - online wie im echten Leben. Einer redet sich den Holocaust schön, die andere twittert über Sex, Fieber und Müdigkeit im Parlament. Immer wieder gibt es //www.piratenpartei.de/2012/04/13/piratenpartei-lehnt-inzestverbot-ab/&ei=VV8oUrGkLYXEtAb6lYHQBA&usg=AFQjCNHe2U9E6daoeUbszjQFXjKX_kfzSg&bvm=bv.51773540,d.Yms:Inzest-Diskussionen, Sexismus-Debatten in den eigenen Reihen, natürlich auch im Internet. Zu viel, um alles aufzulisten.

Auffällig katastrophal ist der Internet-Auftritt der Partei. Den Piraten gelingt es nicht, ihre Seiten einheitlich, übersichtlich und ansprechend zu gestalten.

Facebook, Youtube, Twitter - das Social Web ist voll mit Piraten und ihren Anhängern, aber bahnbrechende Unterschiede zu anderen Parteien sind nicht zu erkennen. Im Gegenteil: Viele Formate - wie zum Beispiel das PirateTaxi - überraschen mit tollen Ideen, sind aber stümperhaft umgesetzt.

So einzigartig die Parteistruktur und die politischen Forderungen der jungen Partei auch sind - beim Thema Internet haben sie eins vergessen: Auch die Ästhetik zählt.

*Nachtrag: Wie auf //twitter.com/Arte_Povera/status/375963740874997760:Twitter angemerkt wurde, hat das LiquidFeedback-Forum der Piraten doch einen Gastzugang, über den die Diskussionen der Piraten verfolgt werden können.

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11 Kommentare

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  • taz.de ist die einzige Seite, bei der ich mit Firefox Links im Fließtext nicht nutzen kann (mit IE geht's). Und genau auf diesem taz.de wird über die Funktionalität anderer Webseiten hergezogen. Bitte, taz, nehmt doch erstmal den Balken aus Eurem Auge.

  • F
    Future

    Niemand braucht diese 4. Linkspartei.

  • N
    nutella

    und eine kleine kritik zur onlinekompetenz der taz, wo wir schon dabei sind: die captchas sind so gestaltet, dass sie breiter sind/sein können als der zur verfügung stehende platz. dadurch wird der letzte buchstabe abgeschnitten. das macht das erkennen der sowieso schlecht lesbaren zeichen noch schwieriger...

  • N
    nutella

    Peter Tauber (MdB, CDU, der große Netzpolitiker) bezeichnet andere Twitterer schon mal als Kind des Geistes des Kommunismus und Nationalsozialismus (sic!), und das für Kritik an der vollkommen unsinnigen Herdprämie. Da ist kein Dialog manchmal besser...

  • J
    Joachim

    Wie immer kommen die Piraten bei der Taz schlecht weg.

     

    "Die Homepage ist ein simpler Blog"

    Jein, die Startseite AUCH ein Blog, man kommt aber über das Menu genauso schnell zum Wahlprogramm wie bei den anderen Parteien auch.

     

    Auch kommt man per Direklink zu www.piraten-zur-wahl.de. Es braucht einen weiteren Klick zur Deutschlandkarte und auf der Karte zwei weitere bis zu meinem Wahlkreis/Kandidaten.

     

    Bei den Grünen komme ich hingegen mit 5 Klicks und 2 neuen Fenstern endlich zu meinem Bezirk, finde dann aber immer noch nix zu meinem Kandidaten. Alternativ darf ich eine PDF herunterladen, dort gibt es allerdings auch keine Links zum Kandidatenprofil.

     

    "Die Kandidaten-Seite präsentiert unscharfe Fotos von unbekannten Menschen"

    Unbekannt ist mir mein Kandidat dank Wahlwerbung nicht mehr oder minder als die Kandidaten sämtlicher anderer Parteien (abgesehen von meinem CDU-Mann der partout nicht in Rente gehen möchte). Man könnte auch sagen "die Kandidaten-Seite zeigt bürgernahe Profile mit frischen Gesichtern."

     

    LiquidFeedback verfügt über einen Gastzugang. Dies wurde mittlerweile korrigiert, wäre aber auch nicht wirklich schwer zu finden gewesen. LiquidFeedback ist als Idee gut, für Neulinge jedoch unübersichtlich und komplex - dem kann ich zustimmen. Dies ist einer der Hauptgründe, warum ich nicht bei den Piraten aktiv bin.

     

    Fazit, der Artikel betont das negative und so einiges an Fakten ist schlecht recherchiert. Die Website ist der von Grünen und SPD ebenbürtig und besser als von CDU/FDP. Einzig die Linken finde ich auf den ersten Blick besser, klarer, strukturierter!

  • AT
    ammonia themsiz

    Na was die Uniprofessionalität angeht, konnte man der TAZ ja auch einiges nachsagen, oder sitzt Ihr jetzt auf dem hohen Ross, nur weil ihr einen halbwegs brauchbaren Relaunch hinter euch habt?

     

    P.S. Nein, ich bin kein Pirat, aber mich nervt das Bashing, wenn es nicht in Relation zu den Möglichkeiten der etablierten (großen) Parteien gesetzt wird.

    • P
      Pepe
      @ammonia themsiz:

      So sieht es aus. Und mal so btw. Was ist denn die TAZ Seite hier?! Genauso ein CMS bzw Blog. Also was soll das große Getue?

  • Wer Facebook, Youtube, Twitter etc. benutzt, kann eigentlich kein Pirat sein! Das sind die NSA-kontrollierten sogenannten "sozialen Netzwerke" - wobei sie mit sozial nichts zu tun haben.

    Und wenn sogenannte Internet-Freaks nicht mal anständige Websides anlegen und gestalten können ist das nur schwach und peinlich!

  • K
    Krümel

    Der Unterschied zu den anderen Parteien ist, dass die Piraten das alles selbst machen. Da gibt es keine hochbezahlten Agenturen, sondern nur Mitglieder, die eine Idee haben und die dann selbst umsetzen. Auf Liquid Feedback gibt es übrigens die Möglichkeit, sich als Gast einzuwählen, um den Diskussionen zu folgen.

  • U
    Ulan

    Wer mit der falschen Erwartungshaltung kommt, die wird enttäuscht. Und es ist kein Mangel an Transparenz wenn mensch sich für ein Medium anmelden muss, das ausdrücklich für Mitglieder gedacht ist. Dass Dorothea Bärs getwitterter Unfug keinen Dialog auf Twitter zur Folge hat finde ich auch eher positiv - "Dialog" auf Twitter mit seiner Beschränkung auf 140 Zeichen führt wenn überhaupt zu einem Schlagwortabtausch auf dem Niveau von Bild-Schlagzeilen.

    Mensch kann von einer 7 Jahre alten Partei mit bislang ausschließlich ehrenamtlichen Freizeitmitarbeiterinnen und einem Gesamt-Finanzvolumen einer zehntel Sparkassendirektorin nicht das Gleiche erwarten wie von den lobbygemästeten Volksparteien mit Parteivermögen im Bereich 8- bis 9-stelliger Eurosummen.

    Gemessen an den verfügbaren Mitteln bin ich der Auffassung, dass die Piratenpräsenzen im Netz erfreulich hochwertig, vor allem inhaltsreich sind.

     

    Gruß Ulan

  • V
    Villa

    Der Artikel hinterlässt einen seltsamen Nachgeschmack, wenn er Fehltritte auflistet, die teils von 2009 sind und von Personen, die schon vor Jahren aus der Partei ausgeschlossen wurden. Naja. Das auch unter der Überschrift "Onlinewahlkampf", womit es ja nichts zu tun hat.