: Online um die Ostsee
Für Studierende ebenso erfolgsversprechend wie teuer: Der Baltic Sea Virtual Campus bietet Master-Studiengänge im Internet an. Beteiligt sind Hochschulen von Hamburg bis Kaliningrad
von MAXIMILIAN PROBST
„Die Elbe fließt zwar in die Nordsee, aber in politischer und logistischer Hinsicht ist Hamburg auch die südwestlichste Metropole an der Ostsee.“ Michael Stawicki, Präsident der Hochschule für Angewandte Wissenschaft Hamburg (HAW), wies damit auf die Bedeutung eines Projekts hin, das unter dem Namen Baltic Sea Virtual Campus (BSVC) seit 2002 internationale und interdisziplinäre Master-Studiengänge unter dem Motto „Lifelong learning on-line“ anbietet.
Elf Hochschulen aus Ländern rund um die Ostsee nehmen daran teil. Neben den skandinavischen Ländern und Deutschland sind es die neuen EU-Länder: Polen ist mit den Universitäten Danzig und der Westpommerschen Business School Stettin dabei, Lettland mit der Technischen Universität Riga und Litauen mit der Universität Vilnius. Auch eine russische Uni ist am Projekt beteiligt: die Kaliningrader Staatsuniversität.
Das Studienangebot des BSVC zielt auf anwendbares Wissen für Berufe in Wirtschaft, Technik, Verwaltung und den Medien. Zurzeit lassen sich die Studiengänge „TransRegional Management“, „Industrial Engineering“, „Business Informatics“ und „Health Care Management“ belegen. Hinzukommen soll bald der medien- und kommunikationswissenschaftliche Master-Studiengang „Information Science and Services“, der in Zusammenarbeit der HAW Hamburg und der Universität Vilnius entstand.
Ziel der virtuellen Wissenschaftsplattform, so schreiben die Initiatoren, ist es, „die Bedeutung und Wettbewerbsfähigkeit des Ostseeraums zu stärken“. Insbesondere gelte das für die strukturschwachen baltischen Regionen, die lange von den Wissensströmen Westeuropas abgetrennt waren. „Hier wächst zusammen, was zusammen gehört“, sagt die Pressesprecherin der HAW Hamburg, Katharina Jeorgakopulos. Nicht verschwiegen wird aber auch, dass der BSVC selber unternehmerische Ziele hat: Mit „multilingualen und multikulturellen akademischen Aus- und Weiterbildungsangeboten“ möchte man „eine Schlüsselposition in dem rasch wachsenden E-Learning-Markt besetzen“.
Das Konzept des Ostseeforums beruht auf der Überlegung, dass über die Vernetzung der Kompetenzen und Lehrangebote Studiengänge angeboten werden können, für die es an einzelnen Universitäten allein weder das Know-How noch die Nachfrage gibt. Zu 80 Prozent finden die Kurse im Internet statt. Die Studierenden erhalten multimediale Lernmodule und tauschen sich in englischer Sprache in Chat-Sitzungen aus. Jedem Studenten stehen dabei wöchentlich zehn Minuten Tutorium zu. Trifft man den Tutor im Chat nicht an, antwortet er auf die Fragen des Studenten innerhalb von 48 Stunden. „Zehn Minuten – das klingt wenig“, sagt Wolfgang Swoboda von der HAW Hamburg. Dies sei aber mehr als sonst Studenten „durchschnittlich an den Universitäten zukommt“. Für viele sei das Online-Tutorium auch ein Vorteil, weil damit die Hürde wegfalle, eine Frage im Hörsaal zu stellen. Generell, so Swoboda, habe er sogar die Erfahrung gemacht, dass Lernen online bei gleichem Material zu einem besseren Ergebnis führe.
Am Ende eines Kurses treffen sich die Teilnehmer zu einem Seminar in der Wirklichkeit, an einer der beteiligten Universitäten. Dort werden die Arbeitsergebnisse präsentiert und zusammengeführt. Erstaunt hat die Professoren dabei immer wieder, wie verschieden die Teilnehmer sind – in Alter, Lebensstellung und Herkunft – und wie gut sie sich gleichzeitig verstehen. „Wenn sie sich zum ersten Mal treffen, kennen sie sich schon über das Web“, sagt Wolfgang Swoboda. So verschieden wie die Herkunft sind aber auch die Wege, die sich nachher gehen: Zieht es den einen nach Brüssel, handelt der andere mit Straußenvögeln im baltischen Raum. In Kontakt bleibe man dennoch.
Das effiziente Networking und die guten Studienergebnisse müssten aber auch darauf zurückgeführt werden, dass der „User“ der Online-Studiengänge „weniger Student als vielmehr Kunde“ sei. Schließlich ist ein zweijähriger Masterstudiengang am Baltic Sea Virtual Campus nicht billig: Schlappe 9.900 Euro kostet er. In den meisten Fällen übernehmen Firmen die Kosten – als Weiterbildungsmaßnahme ihres Spitzennachwuchs.