Online-Singlebörse der Jungen Union: Gesucht: Trinkfeste Frau
Die Junge Union Oberfranken hat seit vier Jahren eine Singlebörse im Netz. Jetzt ist die Twitter-Gemeinde über sie hergefallen. Doch dabei sollte die Seite längst offline sein.
![](https://taz.de/picture/301348/14/bier.20100810-10.jpg)
BERLIN taz | „Nur wer für die Zukunft, also für Kinder sorgt, kann es sich erlauben, in der Gegenwart im Wohlstand zu leben.“ Mit der These preist die Junge Union (JU) in Oberfranken ihre www.ju-oberfranken.de/index.php?page=31&undefined=:Singlebörse an. Vor allem auf junge Leute haben sie es natürlich abgesehen. "Wer noch nicht vergeben ist, soll sich eintragen, je mehr mitmachen, desto besser!“ Gemeinsam wollen sie dem demografischen Wandel entgegen wirken.
Der Aufruf blieb recht erfolglos. Nur 16 einsame JUler glaubten an das Projekt, schickten Fotos, füllten Fragen nach Hobbies, Beruf und Wunschpartner aus. Datenschutz und Privatsphäre schienen aber sowohl bei den Betreibern als auch bei den Einsamen keine Rolle zu spielen. Im öffentlich zugänglichen Bereich der Singlebörse stehen die Jungs und Mädels mit Foto, vollem Namen, Email-Adresse und Handynummer.
Die Traumfrau von Markus R. etwa sollte „2 bis 4 Jahre jünger“ sein. Zudem „nett und gemütlich und darf ein Bier vertragen“. Feuerwehr, Domchor, CSU und JU sind seine Hobbies. Thomas R. ist weniger anspruchsvoll. Seine Wunschpartnerin soll „einfach ganz normal“ sein. Auch Melanie W. scheint bodenständig zu sein. Sie sucht nach einem Partner, der „liebevoll, treu, romantisch und spontan“ ist. Frauen sollten es ohnehin leichter haben auf der Singlebörse. Nur zwei suchten ihren Mann fürs Leben.
Jacob N. trägt gern „seltsame Kopfbedeckungen“, von Beruf ist er „Zitronenfalter“ und er sucht „süße Mädels. Gezwungenermaßen aus dem Ostblock“. Humor bei der Jungen Union? Nein, Jacob war damals bei der Grünen Jugend. Wenigstens zeigt die JU politische Toleranz und öffnete sich Andersdenkenden. Unter Jacob sucht Lara H. nach einem „starken Hasen“. Sie „hofft auf die starken Jungs bei der JU“, die „in Bayern was erreichen“ können.
Sonntagabend tauchte der Link zur Singlebörse erstmals beim Kurznachrichtendienst Twitter auf. Schnell wurde er von der Netzgemeinde verbreitet. Mit Häme überzog sie die „Zombieinvasion", den „kaputten Haufen“ und wundert sich darüber, dass keine Homosexuellen nach PartnerInnen suchen. Manche sind sich sicher, dass die Seite ein Fake sein müsse.
Ist sie aber nicht. Das Schreckgespenst des demografischen Wandels – Geburtenrückgang, Überalterung, schrumpfende Städte und der ganze Rest – hatte vor vier Jahren Oberfranken erreicht. Das blieb auch bei der JU nicht unbemerkt. Sie schrieb sich das Thema auf die politische Agenda. Schließlich musste gehandelt werden, schnell. Diskussionsrunden, Infoveranstaltungen und Broschüren waren den Vorsitzenden nicht genug. Ganz praktisch musste man an die Probleme rangehen, die jungen Menschen in der Region sollten wieder zueinander finden. Da es mit Bierzelt, Feuerwehrverein oder Bushaltestelle nicht mehr zu klappen schien, wurde das Internet entdeckt.
Soll eine Singlebörse erfolgreich für mehr Kinder sorgen, muss sie intensiv gepflegt werden. Dafür hatte scheinbar keiner mehr Zeit. Seit mindestens zwei Jahren wurde sie nicht mehr aktualisiert. Diejenigen, die damals nach ihrem Wunschpartner per JU-Singlebörse suchten, wundern sich, dass sie noch heute online ist. Florian Goßler zum Beispiel. „Ich dachte, die Seite wäre längst aus dem Netz verschwunden. Seit Januar 2010 haben wir doch einen neuen Internetauftritt“, sagt er taz.de.
Dass seine Anzeige noch online ist, wusste er nicht. „Die ist ohnehin nicht mehr gültig. Ich bin längst verlobt“, erzählt er. Seine Zukünftige hat Goßler allerdings nicht via Singlebörse gefunden. Die Idee findet er heute veraltet. „Es gibt doch längst Facebook und Co., da braucht man so eine Seite gar nicht mehr.“ Jetzt will er den Webmaster bitten, die Seite doch offline zu nehmen.
***Update***
Von wegen keine Ahnung vom Netz: Die JU Oberfranken hat schnell reagiert. Noch am Montagabend wurden zwei Anzeigen wohl auf dringliche Bitte gelöscht. In der Nacht auf Dienstag ging die Seite dann ganz vom Netz.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Jugendliche in Deutschland
Rechtssein zum Dazugehören
Jens Bisky über historische Vergleiche
Wie Weimar ist die Gegenwart?
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
Mitarbeiter des Monats
Wenn’s gut werden muss
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche