■ Onkel Gisbert erzählt: Ein gelungenes Weihnachtsfest
Jedes Jahr zur Weihnachtszeit
ist unser Papa rappelbreit
Und weil's viel Spaß macht, sind wir's auch ...
das ist schon lang Familienbrauch
Und zwischendurch, als frommer Mann
tritt Paps mit uns den Kirchgang an
t
Die anderen im Gotteshaus
sehn auch nicht grade nüchtern aus ...
Der arme Pfarrer schaut dem zu
der Anblick lässt ihm keine Ruh
er sucht voll Gram im Messwein Trost
und sagt statt „Amen!“ nur noch „Prost!“
Die Gläubigen nehm's ohne Groll
an einem Tag so friedevoll
zumal die Predigt, die er hält
die beste ist auf dieser Welt:
t
„Vom Himmel hoch – der Engelschor
brüllt stinkevoll wie nie zuvor
In jenem Stall zu Betlehem
säuft Josef, ohne sich zu schäm'n
nach altbekanntem Umgangston
auf seinen neugebornen Sohn
Die Kumpels aus dem Morgenland
die haben ihm den Schnaps gebrannt
und plästern, was die Leber hält!
Die Bibel hat's falsch dargestellt.
t
Der Weihnachtsmann im Tannenwald
hat sich auch einen reingeknallt
und schläft den Rausch im Irrenhaus
in einer Gummizelle aus!“
Schnell tönt zum Schluss der Kirchenchor
Der Gottesmann hat noch was vor:
t
Die Schäflein werden schnell geweckt
Kollekte hurtig eingesteckt
Und die reicht heute unbestritten
aus, sich richtig zuzuschütten!
t
Die Sippe schwankt nach Haus zurück
und widmet sich privatem Glück
Der Leser dieses Stücks versteht
worin denn dieses Glück besteht... (glucki glucki)
Dorch erst Geschenke ausgepackt
bevor man ganz zusammensackt –
und alle lachen froh und frei:
's ist gottseidank der Nachschub bei!
t
Ja, wenn erstrahlt der Weihnachtsbaum
und Mama kriecht auf Knien im Raum
der Junior, wer will's ihm verübeln
Champagner säuft aus vollen Kübeln
und Oma, die zum Frommsein mahnte
restlos, bis zur Oberkante
zugeknallt und abgefüllt
lauthals versaute Lieder brüllt
und nicht im Fass verkommen lässt –
dann haben wir –
ein Weihnachtsfest
Gisbert Zalich, im Ostertor wohnender Autor dieser hochprozentig eingelegten Weihnachtsgeschichte, schreibt, er wolle uns dieses Gedicht zum Abdruck zur Verfügung stellen, weil es „das mit Abstand beliebteste meiner Gedichte hier im Ostertor“ sei. Das glauben wir sofort und legen es daher einer total breiten LeserInnenschaft, die es zweifellos verdient, gern auf den Gabentisch. Frohes Fest! (Foto: A.K.)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen