■ On the road: Geschichte in Straßennamen (7): Abgebrannt
Als Bremer Kids sich noch mit dem Aufsagen von Abzählversen vergnügten, soll dieser der bekannteste gewesen sein: Edelmann, Bedelmann, Doktor, Pastor, Kaiser, König, Juxmajor. Juxmajor? Wohl ein Querschläger innerhalb der festgefügten sozialen Hierarchien. Tatsächlich bezieht sich der Titel auf den Mann namens „Jacobus maior“, der seit 1660 als fast lebensgroße Plastik am Packhaus über die Wüstestätte wacht.
Zwischen Jesus und seinem Lieblingsjünger Jakobus stimmte die Chemie, nicht aber zwischen dem Wanderheiligen und König Herodes, der Jakobus' Leben anno –44 ein Ende setzte: Enthauptung wg. christl. Glaubenseifers. Eifrige und Eiferer pilgern noch heute auf den Jakobswegen zu den Wallfahrtsstätten Europas.
Weniger wallfahrten schon zur Wüstestätte, der heimeligen Verbindung von Schnoor und Hinter der Holzpforte. Die Wüstestätte trägt ihren Namen seit dem 23. September 1659. Just zu diesem Datum brannten das St. Jacobi-Witwenhaus sowie sieben Nachbarhäuser nieder. Was von dem Ort übrigblieb, konnten die Bewohner nur noch wüst und leer nennen. Dabei sollte es vorläufig bleiben. Das Witwenhaus wurde an anderer Stelle wieder aufgebaut, die anderen Wohnhäuser bis 1800 gar nicht. Fortan bürgerte sich die Bezeichnung für die unwirtliche Trümmergegend ein: Wüstestätte.
Seinen verträumten, abgewandten Charakter hatte das stille Örtchen nicht von Anfang an; die Gasse war einmal vier bis fünf Meter breit. Indizien: Die letzten beiden Packhäuser in der Stadt – mit den Hausnummern Wüstestätte 10 und 11 – mußten schließlich einmal eine Zufahrt gehabt haben. Zweitens wundert sich Karl Dillschneider in seiner Schnoor-Monographie über die Immobilien Wüstestätte 1 und Schnoor 36. Beiden fehlt der Keller, sie sind in Fachwerkbauweise hochgezogen – und waren damals etwa das, was heute mobile Containerunterkünfte sind.
Alexander Musik/ Foto: Karsten Joost
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen