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■ Olympias Sieger: Ein Silberfisch, der nicht Franziska heißtSandra Völker (machte die Augen zu)

Wenn man auf Sandra Völker schaut, muß man sich immer Franziska van Almsick davor vorstellen. So hat Völker die Welt gesehen. Bzw. die Welt, wie sie Sandra Völker nicht gesehen hat.

Sie stand da, winkte mal links, kuckte rechts vor, doch die Schultern der Jüngeren waren einfach zu breit. Und immer, wenn sie vor wollte, warfen Leistungsdefizite sie zurück, einmal gar aus dem A-Kader. Jedenfalls: Keiner sah sie. Nun war eine Nacht lang alles anders: „Ich hab's euch doch gezeigt, oder?“ sagte Völker, nachdem sie im allerersten Finale der olympischen Schwimmwettbewerbe über 100 m Freistil hinter der chinesischen Weltrekordlerin

Sandra Völker strahlt Foto: AP

Jingyi Le (54,50 sec) in persönlicher Bestzeit (54,88 sec) Silber gewonnen hatte. „Wahnsinn!“ jauchzte sie und betrat freudig Centerstage, als Franziska van Almsick nach dem fünften Platz relativ wortlos („Ich sage nichts“) das Georgia Tech Aquatic Center verlassen hatte.

Sandra Völker (22), Wirtschafts- Gymnasiastin aus Hamburg, galt als Kurzbahn-Spezialistin. Eigentlich ist sie gelernte Rückenschwimmerin. Erst vor einem Jahr stellten sie und Trainer/Lebensgefährte Dirk Lange Stilart und Stil um. Vor wenigen Wochen in Braunschweig deutete sie an, was gehen könnte. Wie es ging? „Ich hab' nur gedacht: Du schwimmst dein Rennen und machst die Augen zu.“

Für Fit For Fun hat sie den knappen Schwimmanzug in die gewünschte Kurvenlage gebracht, letzte Woche hat sie im Stern den Kußmund hingehalten und gesagt, wofür sie nicht Werbung machen würde (u.a. Unterwäsche). Es hat nur keinen gekratzt. Jetzt ist sie womöglich in der Lage, zu entscheiden, wofür sie Werbung machen will. Seit dieser Nacht sieht die Welt Völker strahlen. Wenn nicht Kollegin van Almsick sich heute in aller Frühe mit Gold über 200 m Freistil wieder vor sie gestellt hat. taz

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