■ Sammelwut für Monte Carlo: Olympiareife Chuzpe
Auch die Polizei ist offenbar pünktlich zur Vergabe der Spiele in Hochform und legt eine olympiareife Chuzpe an den Tag. Ein Amtshilfeersuchen der Monegassen gebe es zwar, und Berliner Beamte seien auch vor Ort – aber weil es keine Rechtsgrundlage für eine Datenübermittlung gebe, können selbstverständlich auch keine Daten weitergegeben worden sein. Schön wär's! Die Staatsschutz-Mannen der Sonderkommission „Olympia“ sind also ganz ohne Handgepäck nach Monte Carlo gereist. Das aber werden nicht einmal die greisen Herren der Ringe glauben, die ansonsten selbst Berlins Finanzkonzept für seriös halten. Die Realität enthüllte die taz bereits im April diesen Jahres. Damals forderte der Staatsschutz alle Polizeidienststellen zur grenzenlosen Datensammlung über mutmaßliche Olympiagegner auf. Ob berechtigte oder unberechtigte Vorwürfe – alles war dem Staatsschutz recht. Und sogar wenn der ausgemachte Olympiagegner selbst als Geschädigter auftritt, spielt das keine Rolle: rein in den Computer damit. Das Ergebnis solcher Sammelwut zwecks Diffamierung durfte ein taz-Reporter auf drastische Weise erfahren. Selbst zweifelhafte Anzeigen, die bei journalistischen Recherchen bisweilen unvermeidlich sind, wurden da zum Beleg für ein kriminelles Potential.
Angesichts der enthemmten Datensammler ist nicht mehr die Frage von Bedeutung, welche Dienststelle für den Datentransfer nach Monte Carlo sorgte. Verantwortlich zu machen ist hier erneut Innensenator Heckelmann, der das möglicherweise noch beförderte. Es ist auch kein Trost, daß am Donnerstag abend der Spuk Olympiabewerbung hoffentlich ein jähes Ende findet – hier handelt es sich um einen exemplarischen Fall, weil offenbar mit Bedacht alle datenschutzrechtlichen Grenzen überschritten wurden. Der Datenschutz freilich, so will es der Zufall, transportiert gegenwärtig Kisten: Die Behörde zieht um. Gerd Nowakowski
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