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Die WahrheitOlo ins Feuer

Das farbige Wahrheit-Interview mit dem amerikanischen Professor für Optometrie, Austin Roorda, der eine ganz neue Farbe entdeckt hat.

Der Farbforscher Austin Roorda in seinem Element Foto: Reuters

Die Meldung ist nicht weniger als eine Sensation: Ein Forscherteam der University of California hat eine neue Farbe entdeckt. Sie heißt Olo und wurde mithilfe eines komplizierten Verfahrens für eine kleine Gruppe von ProbandInnen sichtbar gemacht. Wie haben wir uns eine Farbe vorzustellen, die für das menschliche Auge bisher nicht existiert hat? Darüber sprechen wir mit Austin Roorda, Professor für Optometrie und Entdecker von Olo. Er empfängt uns in seinem lichtdurchfluteten Büro in Berkeley, nimmt Platz auf einem großen grauen Sofa und fällt uns gleich ins Wort.

taz: Professor Roorda …

Austin Roorda: … wenn ich Sie da direkt unterbrechen dürfte: Das Sofa ist nicht grau, sondern olofarben. Mit einem speziellen Herstellungsverfahren ist es uns gelungen, Olo als Textilfarbe zu produzieren. Sie soll noch dieses Jahr auf den Markt kommen.

Und nur weil mein Auge nicht in der Lage ist, Olo wahrzunehmen, erscheint das Sofa grau, verstehe ich das richtig?

Ganz genau.

Sich etwas vorzustellen, das mit bloßen Sinnen nicht zu erkennen ist, erscheint unmöglich. Können Sie Olo dennoch beschreiben?

Beschreibungen mit Bezug auf die uns bekannten Farben sind hinfällig. Olo befindet sich aber im spektralen Bereich zwischen Blau und Grün.

Also Türkis!

Nein, Olo hat mit Türkis nichts gemein! Es liegt zwar im ähnlichen Bereich, hat aber eine viel höhere Sättigung als Türkis. Man kann sich das nicht vorstellen, wenn man es nicht gesehen hat.

Hm, ein übermäßig gesättigtes Türkis – eigentlich kann ich es mir ganz gut vorstellen. Im deutschsprachigen Raum aber wird die Farbe Türkis unter anderem mit der ÖVP verbunden, die schon oft mit der rechts­extremen FPÖ koalierte. Auch das Hellblau der AfD ist in Deutschland für viele negativ besetzt. Wäre es in Zeiten der erstarkenden Rechten nicht angebracht, eine Farbe aus dem anderen Lager zu erfinden?

Es handelt sich bei Olo doch nicht um eine Erfindung, sondern um eine Entdeckung! Olo war immer da. Es war bislang nur nicht möglich, es wahrzunehmen.

Erfindung, Entdeckung, wie auch immer: Sie haben jetzt die Gelegenheit, sich von Olo zu distanzieren.

Ich mich von Olo distanzieren? Acht Jahre Forschung stecken in dem Projekt!

Planen Sie wenigstens, den USA wegen Trumps Vorgehen gegen die Wissenschaft den Rücken zu kehren? Warum haben Sie sich noch nicht zu dem Thema geäußert, wo Sie derzeit so viel Aufmerksamkeit genießen?

Können wir weniger über Politik und mehr über Olo reden?

Meinetwegen: Wann werden wir Olo endlich alle sehen können?

Wie „alle“?

Sie werden doch sicher etwas geplant haben, womit Olo für alle sichtbar wird. Eine Brille mit eingebautem Filter oder so was.

Äh, das wird in der Zukunft sicher möglich sein, kann aber Jahre, wenn nicht Jahrzehnte dauern.

Wirklich? Dann fasse ich mal zusammen: Sie behaupten, eine neue Farbe entdeckt zu haben, die aber bisher nur fünf ProbandInnen sehen konnten, die mysteriöserweise seitdem spurlos verschwunden sind.

Das stimmt nicht! Sie haben nach dem Versuch allesamt Interviews gegeben und waren begeistert.

Aber wäre es nicht schlauer gewesen, mit der Bekanntgabe zu warten, bis die Leute sich von der Existenz von Olo auch überzeugen können? Sonst kann ja jeder daherkommen und behaupten, er oder sie habe eine neue Farbe entdeckt – Ubu oder Bobo!

Machen Sie sich nur lustig! Aber Olo existiert. Die ProbandInnen haben es mit ihren eigenen Augen gesehen. Als sie Olo danach beschreiben sollten, standen ihnen alle Farben des Regenbogens zur Verfügung, aber keine war so strahlend wie Olo.

Hm.

Sie glauben mir nicht!

Nichts für ungut, aber als Umami entdeckt wurde, konnte man sich selbst von der neuen Geschmacksrichtung überzeugen.

Schon wieder dieser unsägliche Umami-Vergleich! Das hat doch nichts miteinander zu tun. Mir reicht’s, Sie kommen mit ins Labor! Dort beschießen wir die m-Zapfen ihrer Netzhaut mit Laser, sodass Olo für Sie sichtbar wird.

Wie bitte? Sie werden kein Olo ins Feuer gießen, Sie Hochstapler!

Finden Sie das etwa witzig? Na, warten Sie!

Im folgenden Handgemenge gewinnt Professor Roorda die Oberhand. Im Würgegriff der kräftigen Forscherkoryphäe erklärt unser Interviewer schriftlich, die Existenz der Farbe Olo nie wieder öffentlich anzu­zweifeln.

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