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Oliver Polak über Rassismus auf der Bühne"Ressentiments sind zum Zerstören da"

Für Oliver Polak ist guter Humor weder deutsch noch jüdisch, sondern absurd, kaputt und selbstironisch. Seine Auftritte sind das Gegenteil von "Wellnesscomedy".

„Die neuen jungen Juden“ – findet Oliver Polak totalen Schwachsinn. Bild: dpa
Interview von Tal Sterngast

taz: Herr Polak, Sie treten im Fernsehen auf, schreiben Bücher, und jetzt gibt es auch eine DVD von Ihnen. Ist Ihre Mutter stolz auf Sie?

Oliver Polak: Stolz ist ein sehr deutsches Wort. Wenn ich es höre, denke ich an „stolz, ein Deutscher zu sein“. Die Reaktion meiner Mutter auf meine Show war: „Gute Show, gab es den Anzug auch in deiner Größe?“ Als ich Dirk von Lowtzow geküsst habe, sagte mein Vater, das habe ich nachher von meiner Mutter gehört: „Oh Gott, der Junge ist schwul.“

Sie sind als einziger jüdischer Junge in der niedersächsischen Kleinstadt Papenburg aufgewachsen. Haben Sie sich als Außenseiter gefühlt?

Absurderweise hatten meine Eltern ein Geschäft mit Weihnachtsdekorationen. Zur Weihnachtszeit standen wir am Fenster, mein Vater, meine Mutter und ich. Wir haben Chanukkaleuchter angezündet und den Chanukkasong gesungen, von draußen strahlten uns die Weihnachtssterne an, wir standen da zu dritt, das war absurd, und das war anders. Das war auch oft unerträglich. Sodass man eine eigene Welt gebaut hat. Unterhaltung war für mich eine Flucht aus dieser tristen Kleinstadt.

Ist Ihr Humor jüdisch?

Ich denke über so was echt nicht nach. Bis zum vergangenen September, also meine ersten 35 Jahre, habe ich keinen einzigen Woody-Allen-Film geguckt. Ich habe mir dann in der Not mit einer 16- Jährigen einen angesehen, von Polanski lief grad nichts. Die Klischees der jüdischen Mutter usw. sind mir nicht begegnet, so absurd es sich anhört.

Oliver Polak

Oliver Polak, 35, Sohn eines KZ-Überlebenden, machte nach dem Abi ein Praktikum bei Viva und moderierte bei RTL den "Disney Club". Serienauftritte folgten. Seit 2006 macht Polak selbstironische und gesellschaftskritische Stand-up-Comedy. Zuletzt erschien die DVD "Ich darf das, ich bin Jude! Live!".

Es gibt Leute, die behaupten, es gäbe deutschen Humor. Wie sehen Sie das?

Bestimmt, aber ich kann ihn nicht definieren. Ich war erschrocken, als Loriot gestorben ist. Es war so, als ob die Russen wieder einmarschiert sind: Oh Gott, er ist tot, er ist tot! Als ob der Humorführer plötzlich gestorben ist. Die Band Deichkind mit ihrer neuen Platte „Befehl von ganz unten“, Daniel Richter, Erobique, das finde ich komisch, obwohl sie gar nicht unbedingt komisch sein wollen. Das ist für mich guter deutscher Humor: absurd, kaputt und selbstironisch. Mein Humor richtet sich oft gegen mich selbst.

Fehlt der deutschen Comedy das Selbstironische?

Im Vergleich zu Ricky Gervais, Sarah Silverman oder Larry David in Amerika arbeitet der deutsche Humor zu sehr mit Stimmungen. Phrasen werden rausgetrasht, es sind oft gar keine richtigen Gags: Es ist Wellnesscomedy. In diesem Land werden Gags oft nur für die Zustimmung produziert, man kann nur nicht immer auf Zustimmung arbeiten. Oft wird ein Vorurteil oder ein Ressentiment erzählt, wie: Frauen können schlecht einparken, Schwarze haben lange Geschlechtsteile, Türken essen immer Döner, und das reicht. Das ist schon die Pointe. Es stimmt nur nicht, und des Weiteren ist es nicht lustig. Ressentiments sind dazu da, um sie zu zerstören.

Wann hört für Sie der Spaß auf?

Vor ein paar Wochen stand Oliver Pocher in der Max-Schmeling-Halle in Berlin auf der Bühne. Vor ihm ist Bülent Ceylan, ein türkischer Comedian, aufgetreten. Pocher sagte: „Ach, was wäre Berlin ohne Türken? Sauber, sicher, man würde wieder Deutsch sprechen.“ Und 8.000 Leute lachen, johlen und klatschen. Ich fand das sehr beängstigend. Obwohl Pocher nicht unbedingt ein Rassist ist, aber so ein Satz bedient für mich einen Rassismus. Man muss wissen, wie weit man gehen kann.

Es gibt also Sachen, über die Sie nie Witze machen würden?

Ich würde nie Witze über die Scorpions machen, die sind so traurig. Wenn man da noch Witze macht, das ist so, wie mit dem Golf Bon Jovi noch mal über einen Hund, der schon halb tot auf der Straße liegt, drüberzufahren, während im Autoradio „Rock you Iike a Hurricane“ läuft.

Wo ist der Punkt, an dem Schluss mit lustig ist? Wo wird die Linie überschritten?

Die Frage ist immer: Wo liegt der Gag, und worum geht es? Leute kommen zu mir und sagen: Das ist hart, was du gerade erzählt hast. Und ich sage: Mein Leben ist hart, 35 Jahre dumme Fragen, jetzt gibt es dumme Antworten! Warum empfiehlt mir Amazon zum dritten Mal den Film „Schindlers Liste“? Was empfehlen sie Monica Lierhaus: „Lola rennt“? Oder Wolfgang Schäuble: die DVD-Box von „Auf Achse“?

Was ist gute Unterhaltung?

Ich fand Falco sehr gut, Udo Jürgens, die Erste Allgemeine Verunsicherung (EAV). Was mir heute fehlt, ist Unterhaltung, die nicht oberflächlich ist, die Wärme transportiert. In den Achtzigerjahren gab es in Deutschland Leute wie Hans Rosenthal, der „Dalli Dalli“ machte und auch jüdisch war, Hans-Joachim Kulenkampff mit „Einer wird gewinnen, Joachim „Blacky“ Fuchsberger, Rudi Carrell und Sendungen wie „Verstehen Sie Spaß?“ – großartig! Das ist meine Basis, wenn ich an Unterhaltung denke. Das sind Unterhaltungsformate, die es heute nicht mehr gibt. Es geht mir letztendlich um Unterhaltung. Es geht um Geschichten, um Humor, das Persönliche und auch die Zerrissenheit.

Man könnte denken, dass Sie eine pädagogische Absicht haben – den deutschen Mainstream zu erziehen.

Ich will mich nicht zur Endlösung der Israelfrage äußern müssen, nur um jemandem seinen Antisemitismus zu legitimieren. Oder mich dazu äußern müssen, wenn Henryk M. Broder mit seiner Hündin Wilma in der Kantine vom ehemaligen KZ von Dachau zu Mittag ist. Das hat mit mir nichts zu tun, das schnallen halt nur Wenige, weil sie was in einen reinprojizieren, was man gar nicht ist, und weil die Meisten einfach nur Angst haben, Angst vor sich und der so oft nicht vorhandenen eigenen Zivilcourage.

Sie wollen also gar kein amtlicher neuer junger Jude sein?

Ich spiele in Österreich, in der Schweiz und Deutschland. Polen, Russland und der Rest der Welt folgen im Herbst! Zu meinen Shows kommen sehr viele unterschiedliche Menschen von 12 bis 80 Jahren, Juden, Christen und so weiter. Diese Überschriften von Zeitschriften in Deutschland, wie sie in der Jüdischen Allgemeinen oder auch im Spiegel erschienen sind – „Die neuen jungen Juden“ – finde ich totalen Schwachsinn. Ich habe das Gefühl, dass hinter diesem neuen jüdischen Leben, von dem alle irgendwie sprechen, was ganz Seltsames steckt. Es ist eine Suche nach was neuem Jüdischen, damit wir bloß nicht zurückschauen müssen. Deswegen steht auf meiner DVD hinten drauf: „Schlussstrich? Nein danke.“ Wenn man mir sagt „Sie sind ein Kopf der neuen jüdischen Generation“, sage ich Nein. Ich mache das, was ich mache, und bin kein Sprecher des neuen Judentums oder für irgendwelche jüdischen Jugendlichen, daran habe ich gar kein Interesse. Mein Ziel ist nicht, nichtjüdische und jüdische Menschen zusammenzuführen.

Was wollten Sie uns mit dem Stück „Lasst uns alle Juden sein“ sagen?

Es geht wieder um Quatsch. Keine politische Aussage! Ich war bei „Songs for Joy“, einer Show von Erobique mit Jacques Palminger, wo sie Songs von Leuten vertont haben: „Sie liefern den Text, wir machen die Musik.“ Ich hatte diesen Quatschgedanken – wie wäre es, wenn alle Juden würden? Nicht mehr und nicht weniger, dann haben wir ein Lied zusammen komponiert, erst mit Orchester, dann mit Elektronik. Da ich die „Ghostbusters“ liebe, haben wir dazu ein Video gemacht, wo wir alle judisieren.

Wird es in der nächsten Show Witze über die NSU geben?

Seit dem 11. September 2001 rennen alle durch Deutschland und haben Paranoia vor dem Islam, dem Terrorismus: Wir werden alle sterben. Hier ist aber faktisch nichts passiert. Was in diesen zehn Jahren passiert ist: Zehn Menschen wurden hingerichtet von dieser grausamen Untergrundorganisation. Und der Staat steckt irgendwo irgendwie auch drin. Da wird einem nur schlecht, da hat man keine Lust, darüber zu lachen. Aber in meiner Show bin ich politisch unpolitisch.

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