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Olaf Scholz über die Glaubwürdigkeit der Politik"Erst versprechen, dann halten"

Hamburgs SPD-Vorsitzender Olaf Scholz spricht sich für Rot-Grün aus. Er erklärt die Stadtbahn für sinnvoll aber vielleicht nicht finanzierbar und lässt offen, ob er bei der Wahl 2012 als Spitzenkandidat antritt.

Redet schon wie ein Hamburger Bürgermeister: SPD-Chef Olaf Scholz. Bild: dpa
Interview von Sven-Michael Veit

taz: Herr Scholz, als Sie vor einem Jahr Vorsitzender der Hamburger SPD wurden, haben Sie der zerstrittenen Partei "Führung" angedroht. Haben Sie Ihr Wort gehalten?

Olaf Scholz: Ich denke schon. Das zeigen auch die Umfragen, die uns Wahlergebnisse um die 40 Prozent prophezeien. Die SPD wird von den Menschen wieder als Hamburg-Partei akzeptiert, die sich um die Stadt kümmert, anstatt sich zu streiten.

Dann schauen wir in die Zukunft: Am nächsten Samstag will sich die SPD auf einem Themen-Parteitag der "Beruflichen Bildung" widmen. Ist das ein Eingeständnis eines programmatischen Defizits?

Wir wollen uns intensiv mit zentralen Herausforderungen in dieser Stadt beschäftigen. Berufliche Bildung spielt da eine ganz wichtige Rolle. Unser Ziel muss sein, dass niemand weniger hat als einen Berufsabschluss oder das Abitur. Wir brauchen bei der Bildung und besonders der Berufsbildung einen Blickwechsel: Es reicht nicht, gute Ausbildung anzubieten, sie muss auch für jede und jeden erreichbar sein. Darüber wollen wir auf diesem Parteitag diskutieren.

Bei diesem Thema gibt es keine internen Differenzen. Ist das nur ein Showkongress, um der Öffentlichkeit zu demonstrieren, wie einig die SPD ist?

Nein, so soll es nicht sein. Es geht nicht um Sprücheklopfen, sondern darum, in der Debatte handfeste Konzepte zu erarbeiten. So soll es auch auf den beiden anderen Parteitagen Anfang 2011 über "Wirtschaft und Hafen" sowie "Wohnen und Stadtentwicklung" sein. Dass wir in Hamburg Wohnungsnot haben, weil vor neun Jahren die CDU-geführten Senate den Wohnungsbau eingestellt haben, ist mittlerweile leider stadtbekannt. Dieses große Problem, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, müssen wir lösen. Und der Hafen ist das Herzstück der Hamburger Wirtschaft und damit immer eine Zukunftsfrage von eminenter Bedeutung.

Olaf Scholz

52, Sozialdemokrat, Bundestagsabgeordneter, Parteichef in Hamburg und stellvertretender Vorsitzender der Bundespartei. Zudem Ex-Innensenator in Hamburg, Ex-SPD-Generalsekretär und Ex-Bundesarbeitsminister.

Also doch inhaltliche Defizite ausbügeln?

Es geht selbstverständlich um die programmatische Aufstellung der SPD zur nächsten Bürgerschaftswahl und für die Zeit danach. Und immer mit dem Vorsatz: Was wir vorher versprechen, wollen wir dann hinterher halten. Nur so hat Politik Zukunft, weil die Menschen genau das von einer Partei erwarten.

Bei so vielen Unklarheiten müssen Sie froh sein, dass Schwarz-Grün weitermacht und es jetzt keine Neuwahl gibt?

Wir hätten uns freudig einer Wahl gestellt. Aber der schwarz-grünen Koalition fehlte dazu der Mut, jetzt quält sich der Senat noch 16 Monate vor sich hin. Für Hamburg ist das schlecht.

Sie spekulieren auf eine Wechselstimmung bei der regulären Neuwahl im Februar 2012?

Da muss man nicht spekulieren, die ist zum Greifen in dieser Stadt.

Haben Sie keine Angst vor der angekündigten Partei des Walter Scheuerl?

Nein. Die SPD wird denjenigen gute Angebote machen, die von der schwarz-grünen Koalition enttäuscht sind. Dafür wollen wir gewählt werden, auf andere schauen wir nicht.

Für die absolute Mehrheit wird es kaum reichen. Ihre bevorzugte Koalition wäre Rot-Grün?

Ja. Die GAL ist immer noch die Partei, mit der die SPD die größte Schnittmenge hat.

Trotz ihrer Koalition mit der CDU?

Die GAL hat selbstverständlich das Recht, auch mit der CDU zu koalieren. Das hat die SPD im Bund und in anderen Ländern auch gemacht. Für die Ergebnisse dieser Regierungszeit aber ist sie selbst verantwortlich.

Wird unter einem rot-grünen Senat die Stadtbahn gebaut?

Unsere Position ist unverändert: Die Stadtbahn ist ökologisch sinnvoll. Aber es muss geprüft werden, ob wir sie uns leisten können, und damit ist das gesamte Netz gemeint, nicht nur die erste Teilstrecke. Diese Frage ist noch offen, weil auch der Zuschuss des Bundes noch offen ist.

Sie wollen also belastbare Zahlen, und wenn die positiv sind, würde gebaut?

Wie gesagt: Die Stadtbahn ist eine gute Idee. Aber was wir uns nicht leisten können, können wir uns nicht leisten.

Sie reden schon wie ein Hamburger Bürgermeister.

Ein sozialdemokratischer Bürgermeister wäre ganz gut für Hamburg.

Und der heißt Scholz?

Über die Spitzenkandidatur entscheidet die SPD auf einem Parteitag am 3. September 2011.

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5 Kommentare

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  • HS
    Herbert Sazmann

    Eben. Ich sehe den Hinweis auf die Finanzierbarkeit der Stadtbahn als reine Wahlkampftaktik, und das über ein Jahr vor Wahlkampfbeginn.

     

    Wenn man die Stadtbahn will, dann hat die Stadt das Geld. Zumal mit den Bundeszuschüssen. Zumal in der Kenntnis, dass wir auch ohne Stadtbahn laufend neue Busse brauchen und das Busnetz definitiv und nicht zu leugnen am Ende seiner Leistungsfähigkeit auf diversen Metro-Linien angekommen ist. Das ist letztlich eine politische Frage. Wäre das Geld wirklich knapp, würde umgehend der Bau der Elphi eingestellt. Und wenn das nur ein paar Millionen spart, Geld ist Geld. Ob sich unsere Stadt dem Besucher mit ner Bauruine an der Elbe oder völlig überfüllten Quetschbussen präsentiert, gibt sich auch nicht mehr viel.

  • H
    H.B.

    Die Frage ist für mich nicht, ob die Stadtbahn finanzierbar ist (das ist sie), sondern ob wir es uns leisten können, so weiterzumachen wie bisher.

     

    Bekanntlich sind einige Buslinien in Hamburg so überlastet, dass die Stadtbahn für einen fahrgastfreundlichen und wirtschaftlichen Betrieb unerlässlich ist. Sicher mag es höher belastete Strecken geben als der jetzt geplante Abschnitt, doch irgendwo muss ja auch der Betriebshof hin.

     

    Bei alledem darf nicht vergessen werden, dass das Bundesministerium für Verkehr die erste Strecke der Stadtbahn bereits als volkswirtschaftlich sinnvoll bewertet hat. Daher ist mit Fördermitteln zu rechnen, so dass sich die finanziellen Belastungen in Grenzen halten dürften.

  • H
    Hans

    Ich sehe noch nicht ein Come-Back der SPD. Vielleicht ist es eher so, dass die SPD hier langsam schrumpft. Es fehlt - außer im Wohnungsbau - ein Zugthema. Und die SPD hat auch keine Köpfe, über die man spricht. Der Durchschnittshamburger kann auf einer Liste kaum einen Bürgerschaftsabgeordneten erkennen oder ein Thema von dem benennen.

    Die SPD müsste m.M. anfangen, mit den Menschen in den Dialog zu treten und dabei auch hinnehmen, dass die verfehlte Sozial- und Arbeitsmarktpolitik kritisiert wird. Aber die findet Scholz ja nach wie vor richtig und das geht nicht. Hier muss Scholz mal umdenken, sonst wird es nichts mit ihm und HH.

    Es ist gut möglich, dass die SPD dieses Mal weitere fünf bis zehn Prozent abgibt.

    Genau genommen hatte Naumann eine ganz gute Wechselstimmung gehabt. Momentan scheint mir eher ratlosigkeit das Bild zu prägen, zumal die SPD in sich tief gespalten und zerstritten ist.

  • K
    kap

    vielleicht wird ja schwarz - rot die bessere (oder sogar die einzige) Alternative zu schwarz-Scheuerl oder rot(rot)-grün.

    Auf eine GAL Regierungsbeteiligung können wir mal locker für 4 Jahre verzichten.

  • WK
    Werner Klingbiel

    Das ganze Problem mit der Wiedereinführung der Stadtbahn gäbe es nicht, hätte nicht die SPD in Hamburg als größter Stadt Deutschlands neben West - Berlin einst die Straßenbahn wider alle Vernunft abgeschaft. West-Berlin bekam die Straßenbahn dank des vorhandenen Netzes im Osten der Stadt wieder, Hamburg ist seitdem allerdings die mit Abstand größte Stadt Deutschlands ohne Stadtbahn. Das sollte der SPD eigentlich zu denken geben, wer auf dem Holzweg ist.

    Und wenn ich mir die Begeisterung der SPD für alle Autofabriken und Autofahrerförderprogramme ansehe, vermute ich doch, dass das Gerede von den angeblich zu hohen Kosten zwar gut ins derzeitige Schema passt, aber nicht der wahre Grund ist, warum die SPD zwar nichts gegen U 4 und Hafenoper sagt aber unbedingt die Stadtbahn verhindern will. Denn man bei der Idee von Beihilfen für Autofahrer (Steuerbefreiung) und Abwrackprämien, ja selbst bei 10 Mrd. Euro für Stuttgart 21 + NBS schon wesentlich weniger auf Sparsamkeit bedacht, trotz Haushaltsloch.