■ Ohren zu: Kein Kontakt zum Kulturfestival in Sarajewo
Die Pflicht ist getan. Man hat einen Sarajewo-Film ins Programm genommen, sich die Hungernden, Zerschossenen, Schießenden und Sterbenden angesehen, und kann jetzt in aller Ruhe übergehen zum All- und Festtag.
Dabei war es De Hadeln selbst, der Bernard-Henri Lévy am Mittwoch nach der Vorführung des Films „Ein Tag im Sterben von Sarajewo“ im Zoo-Palast gegen 13 Uhr begrüßte und ihn bat, zum Publikum zu sprechen. Ein paar hundert Leute immerhin, deutlich über tausend Ohren. Am Ende seiner kurzen Rede sagte Lévy, er habe nun gelernt, daß Leute, die schon am Sterben sind, in ihrer Gestik Dinge vollführten, die bis zum Letzten an die Gesten der Lebenden erinnern. Nicht anders sei es wohl zu verstehen, daß man in Sarajewo — wo die Leute verängstigt, viele verstümmelt, in den Kellern hocken — ein „Kulturfestival“ ausgerufen habe, das bereits angelaufen sei und bis zum 21. März andauern würde. Er bitte das Berliner Filmfest, einen Kontakt nach Sarajewo aufzunehmen, um den Leuten dort zu zeigen, daß sie nicht vergessen sind. Er selbst fliege innerhalb weniger Tage nach Sarajewo.
Aber die Festivalleitung reagiert nicht. Kein Grußwort wird Lévy mit auf den Weg gegeben. Schon zwei Tage später verlegt man sich aufs Leugnen: Bernard- Henri Lévy, der Autor des Films, habe kein persönliches Gespräch genutzt, um Moritz de Hadeln um einen Kontakt nach Sarajewo zu bitten, heißt es auf Anfrage am Freitag. Auf der Pressekonferenz sei eine solche Forderung nicht gestellt worden.
„Doch“, sagt Monsieur Gilles Herzog in Paris, künstlerischer Berater des Sarajewo-Films und im Redaktionsstab der Dreimonats- Zeitschrift „Les Règles du Jeu“, Lévy habe das Festival um den Kontakt nach Sarajewo gebeten.
Bei der Festivalleitung in Berlin setzt nun auch noch das Vergessen ein; man hat die Rede, vor dem Berliner Publikum und in Anwesenheit de Hadelns, angeblich überhaupt nicht registriert. Großvater ist ein Lautsprecher, er gibt Töne von sich, aber er hört nicht mehr.
Und wird Bernard-Henri Lévy sich nochmals persönlich an Herrn de Hadeln wenden, um die Forderung zu bekräftigen? Nein, sagt Herzog, das werde niemand tun. Man werde daraus keinen weiteren Skandal machen. Es gebe Skandale genug. Ulf Erdmann Ziegler
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