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Archiv-Artikel

Ohne Praktikum in die Praxis

Die Ausbildungsphase „Arzt im Praktikum“ wird abgeschafft. Aus den Praktikanten sollen eigentlich Assistenzärzte werden. Über die Finanzierung streiten sich Berliner Kliniken mit den Krankenkassen

VON ALENA SCHRÖDER

Berliner Medizinstudenten können sich freuen: Die 18-monatige Ausbildungsphase „Arzt im Praktikum“ (AiP) wird zum 1. Oktober bundesweit abgeschafft. Mediziner mit abgeschlossenem drittem Staatsexamen können dann gleich mit ihrer Weiterbildung zum Facharzt beginnen, ohne sich vorher für einen Hungerlohn von 1.100 Euro brutto im Krankenhausschichtdienst verheizen lassen zu müssen. Angesichts des bundesweiten Ärztemangels passierte dieser Vorschlag von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt im Juni problemlos den Bundesrat.

Weniger froh sind derzeit die 601 Berliner Mediziner, die schon mitten in ihrer AiP-Phase stecken. Ihnen stehen unsichere Zeiten bevor: Was aus ihren Arbeitsverträgen werden soll, hat der Gesetzgeber nicht eindeutig festgelegt. „Katastrophal“ nennt das Georg Güttner-Meyer vom Berliner Landesverband der Gewerkschaft Ver.di: „Hier hat man einfach unter dem Motto ‚Mut zur Lücke‘ ein Gesetz verabschiedet, das den Kliniken keinerlei rechtlich bindende Vorgaben macht.“

Um weiter als Arzt arbeiten zu können, müssen die „Ärzte im Praktikum“ bis zum 1. Oktober ihre Voll-Approbation beantragen. Dann können sie als Assistenzärzte von den Kliniken weiterbeschäftigt werden – einen Anspruch darauf haben sie jedoch nicht. Die Krankenhäuser stellt das Ende des AiP vor ein Finanzierungsproblem: Assistenzärzte verdienen mit monatlichen 3.200 Euro brutto deutlich mehr als Ärzte im Praktikum – auf die Berliner Krankenhäuser kämen so Mehrkosten in Millionenhöhe zu. Um die Krankenhäuser zu entlasten, stellt der Bund deshalb bis 2007 jährlich rund 300 Millionen Euro zur Verfügung, die betroffenen Kliniken können ihre Mehrkosten dann bei den Krankenkassen geltend machen. Was auf Bundesebene ohne weiteres funktioniert, wird in Berlin zum Problem: „In Berlin gibt es historisch bedingt eine Überversorgung an Krankenhauspersonal, das können wir bei den anstehenden Budgetverhandlungen nicht ausblenden“, sagt Gabriele Rähse von der Arbeitsgemeinschaft der Berliner Krankenkassenverbände. Zwar werde man die gesetzlichen Vorgaben erfüllen, die Zahlungen sollten jedoch nicht pauschal, sondern bedarfsgerecht erfolgen.

„Das heißt im Klartext, dass die Krankenhäuser damit rechnen müssen, dass ihnen das Geld für die AiP-Umwandlung zwar zukommt, dafür dann aber andere Posten im Budget gestrichen werden“, sagt Sybille Golkowski, Sprecherin der Berliner Ärztekammer. Das Argument von der ärztlichen Überversorgung Berlins teilt sie nicht: „Die Klinikbetten sind voll. Außerdem ist Berlin ein Forschungsstandort. Und welche Richtlinie sagt schon, wie viele Ärzte es höchstens pro Patient geben darf?“, so Golkowski.

Die Berliner Krankenhäuser reagieren jedenfalls äußerst unterschiedlich auf die unsichere Lage. Der Klinikträger Vivantes hat seinen 220 beschäftigten ÄiP zwar eine Umwandlung in Assistenzarztstellen in Aussicht gestellt, allerdings sollen sie dann auch weiterhin nach AiP-Tarif bezahlt werden. „Wir wollen den jungen Ärzten das Geld ja nicht wegnehmen, aber solange die Krankenkassen keine verbindliche Zusage machen, dass wir die Mehrkosten komplett erstattet kriegen, bleibt es dabei“, so Vivantes-Sprecherin Fina Geschonneck. Rechtlich könnten die neuen Assistenzärzte ihre tarifgerechte Bezahlung zwar durchsetzen. „Aber wer verklagt in diesen Zeiten schon seinen Arbeitgeber“, sagt Sybille Golkowski von der Berliner Ärztekammer. „Und wo es keinen Kläger gibt, gibt es auch keinen Richter.“

Andere Kliniken werden sich zum 1. Oktober ganz von einigen ihrer AiPs trennen. Das Evangelische Waldkrankenhaus in Spandau wird die AiP-Stellen nur in halbe Assistenzarztstellen umwandlen. „AiPs in der Probezeit werden unter Umständen gar nicht übernommen“, sagt Verwaltungschef Axel Feyerabend.

Genau da liegt die Crux, findet Andreas Rohde, Studentenvertreter beim Ärzteverband „Hartmannbund“: „Einige Krankenhäuser nutzen die Gelegenheit, um elegant Personal abzubauen. Dabei reichen die zugesicherten 300 Millionen locker aus, um den Übergang aller ÄiP zu Assistenzärzten zu bezahlen.“

Einige Kliniken gehen auch durchaus mit gutem Beispiel voran: Die Charité hat ihren 158 ÄiP die Weiterbeschäftigung als Assistenzärzte bereits zugesichert – in vollen Stellen und mit vollem Gehalt.