piwik no script img

Ohne Motor im Rausch der Geschwindigkeit

■ Selbst beim Seifenkistenrennen können Eltern Ehrgeiz entwickeln

Zwei Startnummern werden aufgerufen, die beiden Piloten klettern auf die Rampe und in ihre Fahrzeuge. Bei „Fertig“ ducken sie sich so, daß man gerade noch die Helme sehen kann. „Los!“ Der Starter entsichert die Rampe, zwei zigarrenförmige Vehikel sausen auf der leicht abschüssigen Bahn Richtung Ziel. Am Samstag veranstaltete der Club Rollende Räder Hamburg im Volkspark die 13. Hamburger und Norddeutschen Meisterschaften im Seifenkistenrennen.

Seit dem frühen Morgen bereiten sich über 70 FahrerInnen, etwa gleichviel Mädchen wie Jungen, vor. Eltern markieren und fegen die Piste, sichern sie mit Strohballen, spannen hinter dem Ziel das Sicherheitsnetz. Die Kisten werden inspiziert, Lenkung und Bremsen überprüft. Danach darf niemand mehr ins Fahrerlager, wegen der Sabotagegefahr. Es wurden schon bleigefüllte Coladosen den Konkurrenten in die Kisten geschmuggelt und sogar Bremszüge durchgeschnitten.

Kai (10) vom Club Alsterroller ist „schon ewig“ dabei. Nein, die Kiste gehöre nicht ihm, sondern seinem Club. Man unterscheidet drei Rennklassen: Die acht- bis zwölfjährigen Junioren lenken wie die älteren B-Senioren im Sitzen; die Kisten der zehn- bis 16jährigen A-Senioren sind von anderer Bauart und werden in Rückenlage gefahren.

Beinah hätte der Regen den Start verhindert. „Wenn die Bahn naß ist, wird es zu gefährlich“, erläutert Organisatorin Jutta Haase. Auf der 300 Meter langen Rennstrecke werden die leichten Holzvehikel ohne Motor oder Pedalkraft immerhin bis zu 40 Stundenkilometer schnell. Am Rande fachsimpeln Schaulustige und berichten von Totalschäden: „Damals in Munster hat sie ihre Kiste zersägt.“

Trotz alle Begeisterung wirkt die Atmosphäre angespannt und geprägt von elterlichem Ehrgeiz: Fahrerin Nummer 8 hat Angst, weint und will nicht starten. Beim vorigen Rennen hatte ihre Bremse versagt. Die Erwachsenen reden auf sie ein, aber es hilft nichts. Der Vater vermutet einen raffinierten Sabotageakt. „Das muß ihr jemand eingeredet haben“, eifert er. Eine Frau sieht sich argwöhnisch um: „Ja, ich kann mir denken, von wem das kommt.“ Freundin Beate hat Verständnis, während Kai verächtlich schnauft: „Weiber!“

Am Ergebnis zeigte sich dann, daß die Mädels genauso geschickt lenken können wie die Jungs: Die Hamburger Titel gewannen Florian Bostelmann und Tim Plöger, der gleichzeitig Norddeutscher Juniorenmeister wurde, während bei den Norddeutschen SeniorInnen Sabrina Schauer aus Pinneberg und die Berlinerin Nicole Rühlemann am schnellsten ins Ziel kamen.

Marlene Reimers

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen