"Ohne-Models"-Aktion der Brigitte: Husch, husch an den Herd
Seit einem Jahr zeigt die "Brigitte" ausschließlich ganz normale Frauen als Model und will damit die Realität abbilden. Die Frauen sind zumeist dünn und möglichst jung.
"Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die Schönste im ganzen Land?" Schön - was ist eigentlich schön? Eine Frage, die sich nicht nur die eitle Königin im Märchen stellt, sondern gerne auch mal die Frau respektive der Mann in der gnadenlosen Realität des Badezimmerlichts. In jedem steckt ein bisschen Königin. Aber offenbar nicht in jeder genug für die Brigitte, die seit genau einem Jahr weitgehend auf Profimodels verzichtet.
Dort ist Levke schön, 20 Jahre jung, Auszubildende, im roten Bikini auf dem Cover. Schön ist auch die 18-jährige Schülerin Elisa, mit Augen-Make-Up das glitzert wie Sterntalers Schätze. Die beiden sind schön jung, schön schlank - und damit schön genug für die aktuelle Ausgabe der Brigitte. Ist das die Authentizität, die die Zeitschrift mit ihrem Marketing-Coup abbilden will?
Schön ist doch auch die 37-jährige Köchin Dilek im aktuellen Heft. Sie könnte auch Teil der perfekt inszenierten "Ohne Models"-Welt sein. Aber ihr fehlt anscheinend der Glanz des Sterntaler-Make-ups, denn sie ist lediglich Teil eines ganz normalen Artikels. Normale Frau, normal fotografiert.
Dilek gehört nicht zu den Tausenden, die in der Brigitte-Kartei darauf warten, von der Redaktion auserwählt zu werden. "Brigitte verzichtet auf Mager-Models" titelte damals die Welt. "Cover ohne Photoshop" nannte es Marie Claire und US-Promi-Blogger Perez Hilton feierte: "Nie mehr herausstehende Knochen." Die Size-Zero-Models schienen endlich ausgemustert.
Jugend verkauft Zeitschriften
Aber sieht die deutsche Schönheitsrealität aus wie Levke und Elisa - oder doch eher wie Dilek? Und da ist sie, die Diskrepanz im Projekt der Brigitte, aber wohl auch die Diskrepanz, die jede ein bisschen in sich selbst spürt. Denn natürlich ist die Realität nicht die 18-jährige Elisa. Schon gar nicht für die Zielgruppe der Brigitte-Leser, die die 30 in der Regel überschritten haben. In der aktuellen Ausgabe findet sich kein einziges "Nichtmodel" über 23, keine Frau mit einer Konfektionsgröße über 38.
Jugend und ein schöner Körper verkaufen Zeitschriften, verkaufen Mode, sind für die Mehrheit der Gesellschaft im 21. Jahrhundert en vogue. Das ist es, was schön, was flüchtig anzusehen ist. Darüber kann leicht hinweggeblättert werden bei der Lektüre. Weniger Austauschbarkeit versprach die Brigitte durch ihren Verzicht auf Profimodels.
Deshalb lernen Leser seit einem Jahr Elisa, Levke und alle anderen kennen, die sich erfolgreich bei der Zeitschrift beworben haben oder gezielt von der Redaktion angesprochen wurden. Und ja, es ist authentischer. Die herausstehenden Knochen sind nicht mehr da. Die Modestrecken sind näher an die Realität herangerückt, so nah es geht für eine immer noch professionelle Produktion mit Scheinwerfern, Visagist und Hairstylist.
Aber ist es nah genug? Oder dürfen sich nicht eigentlich doch nur die Schönheitsköniginnen unserer Zeit vor den Brigitte-Spiegel stellen? Die Auswahl trifft die Redaktion, "Persönlichkeit und Ausstrahlung" stehen dabei im Vordergrund, heißt es aus der Chefredaktion. Jugendliches Aussehen nicht genug, sind die abgelichteten Frauen dann zumeist das, was wohl als Powerfrau zu bezeichnen ist. "Es stresst mich, wenn ich denke, ich muss aussehen wie eine Flamenco-Tänzerin aus Barcelona, damit mir diese Mode steht", bemerkt eine Leserin in einer Diskussionsrunde mit der Brigitte. Tolle Frau, toller Job und dann das tolle Aussehen - da wird die grelle Badezimmerrealität noch ein bisschen deprimierender.
Ab in die Kochecke
Seit dem Start der Aktion umfasste die neue "Model"-Kartei bereits 30.000 Frauen. Darunter werden auch Frauen jenseits der 40 und jenseits der Kleidergröße 40 sein. Schöne Frauen. Schön genug für die Brigitte und eine professionelle Modestreckenproduktion. Doch beim Durchblättern der Hefte des vergangenen Jahres sieht man sie kaum. Die 37-jährige Dilek ist in Kochjacke abgebildet - für den Text "Was verdienen Frauen?".
Die Brigitte selbst und ihre LeserInnen würden verdienen, dass die "Ohne Models"-Aktion konsequenter umgesetzt wird. Damit sie die Anmutung, lediglich eine perfekt inszenierte PR-Strategie zu sein, verliert. Sonst bleibt der Spiegel der Brigitte nichts weiter als ein unschöner Zerrspiegel.
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