Ohne Gerechtigkeit geht nichts : KOMMENTAR VON BERNHARD PÖTTER
In jedem besseren Science-Fiction-Roman gibt es ein Weltparlament, das weise über die Zukunft der Menschheit befindet. Das IPCC kommt dem schon sehr nahe: Es geht um das Überleben von Millionen Menschen, jeder Staat hat eine Stimme, nichts geht ohne Konsens. Doch am Klimagremium der UNO kann man auch sehen, wie schöne Ideale an der Realität scheitern: Jeder holt für sich raus, was drin ist, und blockiert so alles. Noch der jämmerlichste gemeinsame Nenner gilt als Fortschritt.
Es gibt aber auch eine gute Nachricht. In die Klimapolitik hat der Realismus Einzug gehalten. Nur noch vereinzelte Betonköpfe leugnen, dass wir beim Klima ein Problem haben, das uns über den Kopf wächst. Die meisten berechnen, was sie Klimawandel kostet und kosten wird. Ideologisch handelt nur noch der US-Präsident. Die anderen Blockierer haben ihre guten Gründe: Saudi-Arabien fürchtet um seine Einnahmequelle Öl, China und Indien wollen ihren Wirtschaftsboom (noch) nicht von Klimaauflagen gebremst sehen. Und viele andere Staaten trauen den Industriestaaten nicht über den Weg, wenn die nach hundert Jahren Wohlstand durch Kohle plötzlich anderen von Windkraft predigen.
Der neue Realismus ist eine große Chance – und die einzige, wenn man Hungersnöte, Flutkatastrophen, das umfassende Artensterben oder den Exodus von hunderten von Millionen Menschen vermeiden will. Diesen Fahrplan zur Apokalypse haben die IPCC-Autoren jetzt auf den Tisch gelegt. Und gerade weil er den kleinsten gemeinsamen Nenner darstellt, ist er so eindrücklich. Zum Realismus gehört neben den Investitionen in Deiche und Solaranlagen aber auch ein Begriff, der bislang den Gutmenschen vorbehalten war: Gerechtigkeit. Nur eine faire Behandlung der Schwellen- und Entwicklungsländer wird das Schlimmste für alle verhindern. Sie brauchen Geld, saubere Technik, faire Handelsbeziehungen und Hilfe bei der Forschung, und sie werden sie bekommen.
Das Klimathema hat tatsächlich das Potenzial, die Welt zu verbessern. Nicht weil hier jemand moralisch argumentiert. Sondern weil ohne Gerechtigkeit gar nichts mehr geht. Eine Perspektive wie aus dem Science-Fiction-Roman.