Offenlegung der Wasserverträge 2.0: Senat schenkt reines Wasser ein
Der Senat legt die Verträge zur Privatisierung der Wasserbetriebe offen - auch dank der taz. Der Volksentscheid über genau diese Offenlegung findet voraussichtlich trotzdem statt.
Nach der taz hat nun auch der Senat die umstrittenen Verträge zur Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe offengelegt. "Wir haben heute vereinbart, dass der Vertrag von 1999 mit sämtlichen Anlagen und späteren Änderungen im Internet veröffentlicht wird", sagte der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) am Mittwoch nach einem Treffen mit den privaten Anteilseignern RWE und Veolia. Auch die Veröffentlichung der taz habe dazu geführt, dass RWE seinen Widerstand aufgegeben habe. Das Material des Senats enthält zwar keine relevanten neuen Vertragsteile, gibt aber Einblick in das, was die Investoren dem Land vor dem Verkauf versprochen hatten (s. rechts).
1999 hatte die große Koalition unter Eberhard Diepgen (CDU) 49,9 Prozent der Wasserbetriebe verkauft. Um einen möglichst hohen Preis zu erzielen, sicherte der Senat den Käufern eine Gewinngarantie zu, die sich bis heute in steigenden Wasserpreisen für die Berliner auswirkt.
Wowereit betonte, dass sich mit der Offenlegung des Vertrags nichts an den Inhalten ändere. "Solange es keine andere Vereinbarung gibt, sind die Verträge rechtlich verbindlich." Der Senat wolle in einem nächsten Schritt mit RWE und Veolia über mögliche Veränderungen der Verträge sprechen. Allerdings ist das Land in einer schwachen Verhandlungsposition. Für die Privaten gibt es wohl kaum einen Grund, auf Gewinne zu verzichten. Auch eine Rekommunalisierung ist nicht in Sicht: Einen Verkauf ihrer Anteile lehnten RWE und Veolia bislang ab.
"Wir sind froh, dass es heute zu einer Verständigung gekommen ist", sagte Petra Warnecke von der Veolia-Geschäftsführung nach dem Treffen. Sie erhoffe sich von der Veröffentlichung "eine Versachlichung der Debatte". Zu den Nachverhandlungen mit dem Senat wollte sie sich nicht äußern. Auf die Frage nach einem eventuellen Verkauf der Anteile an das Land schüttelte sie lediglich den Kopf.
Die Verständigung zwischen den Privaten und dem Senat kam auch aufgrund der in diesem Sommer beschlossenen Novelle des Informationsfreiheitsgesetzes zustande. Das Gesetz sieht weitgehende Transparenz bei Verträgen rund um die Daseinsvorsorge vor. Unter bestimmten Bedingungen können auch bereits geschlossene Verträge, in denen beide Seiten Vertraulichkeit vereinbart hatten, offengelegt werden. Das hatte der Verein Mehr Demokratie für die Wasserverträge beantragt.
Trotz der nun offiziellen Veröffentlichung kommt es voraussichtlich zu einem Volksentscheid über ebendiese Offenlegung. Die Initiative Berliner Wassertisch hatte dafür 280.000 gültige Unterschriften gesammelt. Wowereit sagte am Mittwoch, aus seiner Sicht seien die inhaltlichen Forderungen schon erfüllt. Da der Senat aber wegen rechtlicher Bedenken nicht das vom Wassertisch vorgeschlagene Gesetz übernehmen wolle, werde ein Volksentscheid formal in die Wege geleitet. Thomas Rudek vom Wassertisch hält das nach wie vor für richtig. "Erst wenn die Offenlegung gesetzlich beschlossen ist, können wir davon ausgehen, dass tatsächlich alle relevanten Teile veröffentlicht werden."
CDU und Grüne begrüßten die Offenlegung. Das schlage ein neues Kapitel im Zusammenhang mit Verträgen der Daseinsvorsorge auf, erklärten Volker Ratzmann und Heidi Kosche (beide Grüne). "Wer mit dem Land Berlin Verträge schließt, muss wissen, dass diese transparent und öffentlich sind." CDU-Chef Henkel betonte, Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linke) sei nach wie vor in der Pflicht, "endlich für verbraucherfreundliche Wasserpreise zu sorgen". In Anspielung auf die Veröffentlichung der taz erklärte Linken-Chef Klaus Lederer, seine Partei nehme die Offenlegung zur Kenntnis. "Alles andere wäre freilich eine Posse gewesen, nachdem ohnehin alle Berlinerinnen und Berliner schon lesen konnten, was 1999 vereinbart worden ist."
die Veröffentlichung
wäre freilich eine
Posse gewesen" -->
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Rekordhoch beim Kirchenasyl – ein FAQ
Der Staat, die Kirchen und das Asyl
Preise fürs Parken in der Schweiz
Fettes Auto, fette Gebühr