Off-Kino : Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet
Bleigeschwängerte Action-Story, Pseudowestern und Zitatkino: Brian De Palmas historischer Polizeithriller „Die Unbestechlichen“ ist all dies und auch noch ein wenig mehr. Denn De Palma erzählt mit der Geschichte des Bundespolizisten Eliot Ness (Kevin Costner), der den Gangsterkönig Al Capone (Robert De Niro) zu Fall bringen möchte, von einem Mann, der sich durch seine berufliche Aufgabe und die Begegnung mit einem älteren, erfahreneren Kollegen verändert. Anfangs kaum mehr als ein naiver Biedermann, dessen erste Razzia im tragikomischen Fiasko endet, verbeißt sich Ness immer heftiger in seine Ermittlungen und schreckt am Ende selbst vor Totschlag nicht mehr zurück: den bereits verhafteten und wehrlosen Mörder seines Freundes Jim Malone (Sean Connery) stürzt er in einem Wutanfall vom Dach des Gerichtsgebäudes in den Tod. Trotzdem gibt es in „Die Unbestechlichen“ keine moralische Grauzone; Gut und Böse sind mehr als deutlich definiert: Auf eine Sequenz, in der Capone einen Verräter mit dem Baseballschläger totprügelt, folgt eine Szene, die Ness mit seinem Kind beim Nachtgebet zeigt. Im Übrigen lässt De Palma seiner Vorliebe für Kinomythen freien Lauf: eine Sequenz, in der die Kamera den subjektiven Blick eines Gangsters übernimmt, lässt an den Anfang von Carpenters „Halloween“ denken, und der Western ist mehr als präsent, wenn Ness und seine Kollegen versuchen, an der Grenze eine Whiskylieferung abzufangen: Hoch zu Ross stehen sie in klassischer Breitwand-Totale wie auf eine Perlenkette gereiht auf einem Hügel. Das eindeutigste Zitat stammt aus Eisensteins „Panzerkreuzer Potemkin“, dessen berühmte Szene mit dem die Treppe von Odessa hinunterstürzenden Kinderwagen von De Palma mitten in eine Schießerei auf dem Bahnhof von Chicago verlegt wird: Metakino und technisches Kabinettstück gleichermaßen.
„Tugendhaftigkeit erschien mir nie sehr fotogen“, hat Kirk Douglas einst in einem Interview bekannt und sich in der Auswahl seiner Rollen stets gern an dieser Erkenntnis orientiert. Seine Schurken verkörperte er dann mit einer faszinierenden Intensität, die ihren Ausdruck in seiner gespannten Körperhaltung und dem einzigartigen Gesicht mit entschlossen vorspringenden Kinn fand. In Billy Wilders „Reporter des Satans“ (1951) verkörpert Douglas einen zynischen Journalisten, der, anstatt einem verschütteten Höhlenforscher zu helfen, die Rettungsarbeiten verschleppt, weil die Schlagzeilen seiner Karriere förderlich sind: ein böses, hochdramatisches und wie fast immer bei Wilder auch hochmoralisches Werk.
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An den Beginn der Filmkunst erinnert das „Grand Café-Programm“ der französischen Kinopioniere Auguste und Louis Lumière, die in ihren Inszenierungen zunächst vor allem das Alltägliche betonten: Das Programm enthält auch den berühmten Film „L’arriveé d’un train à La Ciotat“, der bei den ersten Kinobesuchern Schrecken auslöste, weil sie die am Bahnsteig einfahrende Lokomotive direkt auf sich zukommen sahen.
LARS PENNING