Off-Kino : Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet
Erst vor kurzem haben die Animationsfilmer des Aardman-Studios für ihr jüngstes Wallace-&-Gromit-Werk den Oscar gewonnen, und auch auf dem Forum Cartoon Movie wurden die britischen Regisseure und Produzenten unlängst von ihren europäischen Kollegen mit Trophäen bedacht. Die enorm aufwendige Knetanimation kommt also gut an, und die Zusammenarbeit der Aardmänner mit den Amerikanern von Dreamworks sorgt weltweit dafür, dass die Werke auch angemessen unter die Leute gebracht werden. Großen Erfolg hatte das Studio bereits mit seinem ersten abendfüllenden Knetanimationsfilm aus dem Jahr 2000: „Chicken Run“ parodiert auf höchst amüsante Weise Flucht-aus-dem-Kriegsgefangenenlager-Filme à la „The Great Escape“ und erzählt von der Henne Ginger und ihren Kolleginnen, deren Fluchtversuche aus dem eingezäunten und mit Hunden bewachten Gefängnis namens Hühnerfarm immer wieder scheitern, weil der Hühnerhaufen bei Gefahr dazu tendiert, ein wenig kopflos zu agieren. Hahn Rocky soll den Mädels nunmehr das Fliegen beibringen – und das ist auch dringend nötig, denn das Farmerehepaar hat bereits eine Hühnerpasteten-Maschine angeschafft. Dramatischer Actionthriller und zarte Liebesgeschichte gleichermaßen, zeigt „Chicken Run“ aufs Schönste, dass die große Stärke der Knetanimation in der Schaffung unverwechselbarer Charaktere liegt.
Mit Hühnern beschäftigt sich auch der erste eigene computeranimierte Film des Disney-Studios: In „Chicken Little“ präsentiert Regisseur Mark Dindal eine für Disney ungemein typische Geschichte um einen allein erziehenden Vater und den scheinbar aus der Art geschlagenen Sohn, ein kleines Underdog-Hühnchen, das am Ende natürlich doch große Cleverness und Mut beweist und sich zum gefeierten Helden entwickelt. Als Zugabe zur Familiengeschichte treten Außerirdische auf, die ihren versehentlich auf der Erde zurückgelassenen Junior wieder haben wollen – was in der Konsequenz zu viel Gerenne und Geballere führt, das man dem Publikum heute offenbar schuldig zu sein glaubt. Etwas hektisch für meinen Geschmack, aber so mancher Gag des braven Familienfilms zündet dann doch ganz ordentlich.
Um etwas andere Tierchen geht es in David Cronenbergs genialem Frühwerk „Shivers“ (Parasiten-Mörder, 1975): Schleimige kleine Würmer sind das Ergebnis eines Experiments, mit dem ein Wissenschaftler die sexuelle Lust steigern will. Doch die Chose gerät außer Kontrolle und löst bei den Bewohnern eines Wohnkomplexes eine unkontrollierbare erotische Raserei aus. Das Fiese des mit kongenialer Low-Budget-Schmuddel-Trash-Ästhetik aufwartenden Films ist die gekonnte Erweckung von Urängsten vor der Verwundbarkeit des eigenen Körpers durch die kleinen Parasiten, die einfach überall lauern: Sie kommen beim Küssen die Kehle der Freundin hochgekrochen, hüpfen aus der Waschmaschine und ringeln sich durch den Abfluss der Badewanne. Apokalyptisch und gut, beschert garantiert üble Träume. LARS PENNING