Österreichs Ex-Finanzminister im Zwielicht: Vetternwirtschaft beim Privatisieren
Karl-Heinz Grasser soll in seiner Amtszeit 2000 bis 2007 zahlreiche enge Freunde für fragwürdige Vermittlungstätigkeiten großzügig bedacht haben. Jetzt will er gegen die Vorwürfe klagen.
WIEN taz | Karl-Heinz Grasser, der smarte Finanzminister der österreichischen Regierung unter Wolfgang Schüssel (2000-2007), wird nervös. In einen vor Merkwürdigkeiten strotzenden Privatisierungsdeal sind viele seiner engsten Freunde verstrickt. Zwei haben für nicht ganz durchschaubare Vermittlungstätigkeit fast zehn Millionen Euro Kommission kassiert und andere konnten im Vergabeausschuss den Zuschlag steuern.
Grasser, damals 31 Jahre alt, war 2000 von Jörg Haider als Finanzminister in die ÖVP-FPÖ-Regierung geholt worden. Er verstand es, sich das Image des Sanierers zu geben, und legte nach einem Jahr ein ausgeglichenes Budget vor. Wie man heute weiß, wurde dieses Kunststück nicht nur durch Anziehen der Steuerschraube, sondern auch durch fragwürdige Ausgliederungen und den übereilten Ausverkauf von Staatsvermögen erzielt.
Zudem fiel Grasser immer wieder durch Affären auf, bei denen er Privates und Berufliches vermischte. So ließ er sich seine private Homepage mit über 280.000 Euro von der Industriellenvereinigung sponsern.
Die Staatsanwaltschaft untersucht derzeit, ob 2004 beim Verkauf der Bundesimmobiliengesellschaft (BUWOG) alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Ein ehemaliger Mitarbeiter Grassers, der diesen zuerst im Wochenmagazin profil belastete, hat auch vor der Staatsanwaltschaft ausgesagt, Grasser habe die Privatisierung der Immobilienholding nebst 62.000 Wohnungen von Anfang an manipuliert. Er hätte seinen Leuten Anweisung gegeben, unter den fünf seriösen Bietern die Immofinanz-Gruppe zum Zug kommen zu lassen. Nach Ablauf der Frist lag das beste Angebot mit 928 Mio. Euro von der konkurrierenden CA Immo vor. Grassers Favorit wollte nur 837 Millionen Euro zahlen. Daraufhin verlängerte Grasser die Anbotsfrist und gab Zeit zum Nachbessern. Und siehe da: Die laut Zeugen von Grasser bevorzugte Immofinanz lag mit 961 Mio. Euro um 1,19 Millionen Euro über dem nachgebesserten Offert von CA Immo.
Vor dieser letzten Phase traten zwei Grasser-Freunde, der Lobbyist Peter Hochegger und Walter Meischberger, auf den Plan. Meischberger, Grassers Trauzeuge, der bis September mit diesem ein Büro teilte, bot sich der Immofinanz als Berater an und konnte die branchenübliche Kommission von einem Prozent des Kaufpreises vereinbaren. Binnen 14 Tagen wurde er zum mehrfachen Millionär. 9,61 Millionen Euro landeten in sechs Tranchen auf einem in Zypern eingerichteten Briefkastenkonto seines Freundes Peter Hochegger, der 7,7 Millionen umgehend an ein Konto Meischbergers in Liechtenstein überwies.
Es drängt sich der Verdacht auf, dass Meischberger von seinem Freund Grasser das Bestgebot kannte und diesen Tipp weitergab. Ob er von seinem satten Gewinn etwas abgeben musste, untersucht die Justiz. Aufmerksam wurde der Rechnungshof, der die pleitegegangene Immofinanz untersuchte und dabei auf Ungereimtheiten stieß. Die Zahlung an Hochegger war nicht als Kommission verbucht, sondern mit verschiedenen Scheinrechnungen belegt. Als die Prüfer Fragen stellten, erstatten die beiden Grasser-Freunde Selbstanzeige wegen Steuerhinterziehung.
Grasser, der mit seinen Freunden nie über geschäftliche Dinge gesprochen haben will, gab sich in einer ersten Reaktion "menschlich zutiefst enttäuscht" und zog aus der Bürogemeinschaft mit Meischberger aus. Auf die Anschuldigungen seines ehemaligen Mitarbeiters, den er schnell als Michael Ramprecht outete, reagierte er mit Klageandrohung. Dieser hat aber nachgelegt. Er gab an, es sei ihm damals von einem weiteren Grasser-Intimus ein Schweigegeld von 700.000 Euro angeboten worden, wenn er sein Wissen über die Umstände des Privatisierungsdeals für sich behalte. Dieses unmoralische Angebot habe er abgelehnt. Für Grasser und seine Freunde gilt selbstverständlich die Unschuldsvermutung.
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