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Österreich droht Wahlerfolg der Rechten„Täglich grüßt das Murmeltier“

Am 28. September sind in Österreich Parlamentswahlen. Der Wiener Politologe Peter Hajek über die Chancen der FPÖ, warum Jörg Haider wieder auftaucht, und das Land Italien immer ähnlicher wird.

Trotz langjähriger Bekanntschaft besteht Heinz-Christian Strache (r.) darauf, von Jörg Haider (l.) nicht geduzt zu werden. Bild: reuters

taz: Herr Hajek, wie schätzen Sie das Potential der FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs) ein? Laut Umfragen liegt die Partei derzeit zwischen 15 und 20 Prozent.

Peter Hajek: Das halte ich für absolut realistisch. Wenn man es mit Jörg Haider in den 90er Jahren vergleicht, da gab es immerhin 27 Prozent Wähler. Heinz-Christian Strache hat es gut geschafft diese Wähler hinter sich zu sammeln. In Wirklichkeit sind das Menschen, die populistischen Slogans zugänglich sind. Das Ganze wird garniert mit einer Aufladung eines Kulturkampfes. Das klassische nationale Lager in Österreich hat drei bis fünf Prozent, also Burschenschafter zum Beispiel. Das ist dann das rechte Lager.

Ist die Situation nicht dieselbe wie 1999: eine gescheiterte Koalition zwischen Volkspartei und Sozialdemokraten und eine stärker werdende FPÖ?

Absolut. Täglich grüßt das Murmeltier. Lustigerweise sind alle alten Gesichter wieder da: Jörg Haider und Heide Schmidt beim Liberalen Forum etwa. Die große Koalition ist extrem ermattet, deutlich ermatteter als 1999, und das nach nur eineinhalb Jahren Regieren. Der einzige Unterschied: Mit Fritz Dinkhauser und Jörg Haiders BZÖ (Bündnis Zukunft Österreich) haben wir zwei neue Player. Man darf auch nicht vergessen, dass damals die wirtschaftliche Lage sehr gut war. Heute haben wir genau das Gegenteil. Das schadet natürlich den beiden großen Parteien Sozialdemokraten (SPÖ) und Volkspartei (ÖV).

Peter Hajek ist promovierter Politikwissenschafter und Meinungsforscher. Er war unter anderem bei der UNO als Berater tätig, und lehrt an der Universität in Wien und Klagenfurt. Außerdem bloggt er zur österreichischen Innenpolitik auf datum.at.

Wie erklären Sie, dass Jörg Haider wieder auf Bundesebene mitmischt?

Es gibt mehrere Optionen: Erstens aus Mangel an Alternativen, für Haider ist aber in erster Linie Kärnten wichtig. Mit der Bundeskandidatur sichert er sich seine Hausmacht in Kärnten und seine Einflussmöglichkeiten in Wien. Er kann den Kärntnern bei einem Einzug des BZÖ in den Nationalrat dann erklären, dass die Partei Interventionsmöglichkeiten in Wien hat. Das braucht ein Landeshauptmann.

Jörg Haiders BZÖ steht in Konkurrenz zu seiner alten Partei FPÖ. Kann Haider den Freiheitlichen Stimmen abnehmen?

Also Haider wird sicher die eine oder andere Stimme der FPÖ wegnehmen. Das wird denen aber nicht wehtun, weil sie auf jeden Fall zulegen werden und die elf Prozent der letzten Wahl locker überspringen. Dem BZÖ könnten diese Stimmen den Einzug in den Nationalrat sichern.

Es kann also auch sein, dass das BZÖ den Einzug verpasst?

Ich würde mal sagen es schaut sehr gut aus für das BZÖ. Es ist eine relativ einfache Rechnung, Haider war bei den Nationalratswahlen 2006 auch schon in Kärnten im Wahlkampf präsent. Und hat damit der Partei den Einzug in das Parlament gesichert. Haider wird natürlich auch in den anderen Bundesländern mehr Stimmen holen als sein Vorgänger Peter Westenthaler. Die Frage ist nur, ob er in Kärnten wieder so viele Wähler mobilisieren kann.

Wird sich Haiders BZÖ mit seiner alten Partei, der FPÖ, wiedervereinigen?

Nein. Würde ich an Straches Stelle auch nicht tun. Strache hat die Partei übernommen und auf Vordermann gebracht. Irgendwann wird Jörg Haider in Kärnten Geschichte sein. Und das wäre gleichbedeutend mit dem Ende des BZÖ. Außer, Haider schafft es in den nächsten fünf bis zehn Jahren einen Nachfolger aufzubauen. Bis jetzt ist einfach Haider das Wahlmotiv.

Neben BZÖ haben auch noch Liberales Forum und die Liste von Fritz Dinkhauser die Chance, im Nationalrat vertreten zu sein. Was hätte das für Auswirkungen?

Keine Frage, je mehr Parteien im Parlament sitzen, desto schwerer wird die Koalitionsbildung. Mit der großen Koalition ist die erste Option weg. SPÖ und ÖVP sagen, sie werden mit der Strache-FPÖ nicht koalieren. Die Freiheitlichen werden aber die drittstärkste Partei werden. Das heißt, man muss sich auf die Kleinparteien kaprizieren. Kommen sechs oder sieben Parteien ins Parlament, geht auch eine Koalition aus drei Parteien nicht mehr.

Trifft die Italianisierung der österreichischen Politik, von der in letzter Zeit die Rede war, also zu?

Wenn man sieben Parteien im Parlament sitzen hat, dann ist man diesbezüglich nicht mehr weit davon entfernt. Mit einem Unterschied: Es gibt keine Blockbildungen, so wie in Italien und Frankreich. Das ist in Österreich nicht gerade en vogue. Es ist auch schwer, weil die FPÖ, je nachdem wie sie will, eher bei den Sozialdemokraten oder im bürgerlichen Lager ist. Sie lassen sich auch nicht eingrenzen.

Will die FPÖ überhaupt in die Regierung, das letzte Mal ist ihr das ja nicht allzu gut bekommen?

Im Nachhinein ist man immer gescheiter. Es gab 1999/2000 Flügelkämpfe innerhalb der Partei, Haider hat damals entschieden, in die Regierung mit der Volkspartei zu gehen. Ich halte im Rückblick gesehen seine damalige Entscheidung für richtig. Die FPÖ hatte nur nicht das Personal und die Erfahrung um Regierungsarbeit zu leisten.

Hat sich daran etwas geändert?

Nein, das hat sich sicher nicht geändert. Die Personaldecke ist noch dünner geworden, die Erfahrung ist noch geringer geworden. Wen haben sie bei der Freiheitlichen Partei noch: Niemand. Ich würde einmal sagen, der Freiheitlichen Partei wäre es durchaus recht, wenn sie bei der Wahl nicht zu stark wird.

Trauen Sie es eher der SPÖ oder der ÖVP zu, mit der FPÖ zusammenzuarbeiten?

Ich glaube die Sozialdemokraten haben größere Berührungsängste als die Volkspartei. Man hört immer wieder Stimmen aus der SPÖ, die davor warnen, mit der FPÖ eine Koalition einzugehen, denn das würde die Partei zerreißen. Wie weit das stimmt, weiß ich nicht. Unter der Prämisse, dass ÖVP, FPÖ und BZÖ eine Regierung machen, schaue ich mir an, ob die Sozialdemokraten dann noch immer so nobel zurückhaltend sind. Bei Stützung einer Minderheitsregierung der Sozialdemokraten durch die FPÖ glaube ich schaut es anders aus, und da braucht es noch immer eine dritte Partei, siehe dänisches Modell. Also die Parteien einigen sich nur auf ein Budget, und vereinbaren, keine Misstrauensanträge zu verabschieden. Der Rest: Mehrheiten im Parlament suchen. Im Gegenzug dazu gesteht man der Freiheitlichen Partei eine restriktivere Zuwanderung- und Integrationspolitik zu. Damit wird die SPÖ keine großen Probleme haben.

INTERVIEW: STEFAN HAYDEN

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