Ökostrom: Ein Herz für Wind und Wellen
Die Handelskammern im Norden fordern mehr Einsatz für die erneuerbaren Energien. Vor allem Offshore-Windparks auf dem Meer sollen beschleunigt errichtet und ans Stromnetz angeschlossen werden.
Die Industrie- und Handelskammern in Norddeutschland (IHK Nord) haben ihr Herz für erneuerbare Energien entdeckt. In einem am Dienstag in Hamburg veröffentlichten Positionspapier stellen sie acht Forderungen für bessere Rahmenbedingungen. Diese richten sich in erster Linie an die Politik. Demnach müssten der Ausbau der Leitungsnetze beschleunigt, die Forschung gestärkt und die Kostenbelastungen gerecht verteilt werden.
"Den erneuerbaren Energien können rund 20.000 direkte Arbeitsplätze im Norden zugerechnet werden", sagte Frank Horch, Präses der Hamburger Handelskammer. Damit habe die grüne Technologie "eine große wirtschaftliche Bedeutung und weiteres Wachstumspotenzial".
Noch Anfang des vergangenen Jahres hatte die IHK Nord erklärt, dass ab 2020 "die Lichter in Norddeutschland auszugehen drohen", wenn bestehende Kohle- und Atomkraftwerke nicht ersetzt würden. Dabei hatten sie eine Rechnung ohne Offshore-Windparks aufgemacht. Deren Realisierungschancen seien "so schwer einzuschätzen", hieß es damals, "dass wir seriöserweise auf deren Einberechnung verzichtet haben".
Die IHK Nord ist der Zusammenschluss von 13 Industrie- und Handelskammern aus den fünf norddeutschen Küstenländern.
Als wirtschaftspolitisches Sprachrohr gegenüber Politik und Behörden vertritt sie etwa 650.000 Unternehmen von der dänischen bis zur polnischen und niederländischen Grenze.
Die Arbeitsschwerpunkte sind Hafenwirtschaft und maritime Technologien, Tourismus, Verkehr sowie Energie und Umwelt.
Davon ist heute keine Rede mehr. Stattdessen müssten die "Maßnahmen für einen beschleunigten Ausbau" intensiviert werden, fordert Uwe Möser, Präsident der IHK Flensburg und derzeitiger Vorsitzender der IHK Nord. Insbesondere müssten "die land- und seeseitigen Anschlüsse der Offshore-Windparks sicher gestellt werden".
Als bislang erster deutscher Windpark auf dem Meer erzeugt "alpha ventus" etwa 45 Kilometer nördlich der ostfriesischen Insel Borkum Strom. Seit dem 12. August arbeiten die ersten drei von insgesamt zwölf Anlagen. Das Projekt wird gemeinsam von den Energiekonzernen EWE, E.on und Vattenfall betrieben, die Investitionssumme liegt bei 250 Millionen Euro. Die künftige jährliche Strommenge soll dem Verbrauch von 50.000 Haushalten entsprechen.
Vor deutschen Küsten sind bislang 25 Windparks genehmigt. Die 22 Anlagen in der Nord- und drei in der Ostsee bestehen laut Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie in Hamburg aus insgesamt 1.800 Windrädern. Dies ergebe eine Gesamtleistung von etwa 8.000 Megawatt - etwa das Sechsfache der Leistung des größten deutschen Atomkraftwerks Brokdorf. Derzeit werden Genehmigungen für 55 weitere Windparks geprüft.
In der letzten Kabinettssitzung der alten Bundesregierung am 16. September war eine Verordnung zur Raumnutzung für Offshore-Anlagen beschlossen worden. Demnach ist im deutschen Teil der Nordsee noch Platz für 30 Windparks sowie für zehn weitere in der Ostsee. Als Ziel wurde definiert, "im Jahr 2030 bis zu 25.000 Megawatt Stromleistung aus Offshore-Produktion zu erbringen". Das würde für etwa zwölf Millionen Haushalte reichen - mithin für mehr, als es im Norden gibt.
So ganz wollen die IHKs allerdings nicht von Atom und Kohle lassen. Sie würden auf absehbare Zeit noch gebraucht. "Die ideale Energieform" sei, sagt Horch, "ein ausgewogener Mix aus regenerativen und grundlastfähigen Energien". Dabei werde wegen der Endlichkeit der fossilen Energieträger und angesichts der Folgen des Klimawandels die Bedeutung der regenerativen Energien in den nächsten Jahren stetig steigen. "Dabei kommt den norddeutschen Bundesländern eine besondere Rolle zu."
Von 1998 bis 2008 habe sich der Anteil der erneuerbaren Energien am Stromverbrauch in Deutschland von 4,8 Prozent auf etwa 15 Prozent erhöht. In Norddeutschland stammen bereits jetzt rund 19 Prozent des verbrauchten Stroms aus Windkraftanlagen. Spitzenreiter ist Schleswig-Holstein mit einem Anteil von derzeit 40 Prozent - und die Offshore-Windparks kommen noch hinzu.
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