piwik no script img

Ökonom über die Eurokrise"Der Rettungsschirm allein bringt nichts"

Wer mehr Geld in den EU-Hilfsmechanismus steckt, erfreut nur die Spekulanten, sagt Ökonom Stephan Schulmeister. Die Euroländer müssten die Zinsen selbst festsetzen.

Schulmeister: "Der Euro wird überleben." Bild: dapd
Ulrike Herrmann
Interview von Ulrike Herrmann

taz: Herr Schulmeister, Griechenland und Irland werden von der EU unterstützt, nun wird diskutiert, ob man den EU-Rettungsschirm ausweiten soll.

Stephan Schulmeister: Das bringt nichts. Es wäre nur eine Einladung an Spekulanten, sich auch auf Spanien zu stürzen. Die Anleger wären sicher, dass sie die Zinsen bei den spanischen Staatsanleihen weiter hochtreiben können und ihnen bei dem Spiel nichts passiert.

Es gibt also keine Eurokrise, sondern nur böse Spekulanten?

Den Anlegern kann man keinen Vorwurf machen. Die Gewinnmöglichkeiten auf den Finanzmärkten sind zu groß, um sie auszulassen. Deswegen muss man die Spielregeln ändern.

Ihr Vorschlag?

Die Zinsen dürfen nicht über der Wachstumsrate liegen. Sonst treiben die schwachen Euroländer auf den Konkurs zu.

wifo
Im Interview: Stephan Schulmeister

STEPHAN SCHULMEISTER 63, ist einer der bekanntesten österreichischen Ökonomen und Kritiker des Neoliberalismus. Er forscht an dem Wirtschaftsforschungsinstitut, kurz: Wifo, in Wien.

Und wie wollen Sie die Risikoaufschläge drücken?

Die Euroländer benötigen einen echten Europäischen Währungsfonds, der gemeinsam Anleihen herausbringt.

Diesen Vorschlag gibt es schon: Luxemburgs Premierminister Juncker will Eurobonds einführen.

Normale Eurobonds lösen das Problem nicht. Denn es gibt keinerlei Garantie, dass dann die Risikoaufschläge sinken.

Junckers Idee ist, dass alle Euroländer von der Bonität Deutschlands profitierten - und die Zinsen fast so niedrig wären wie für Bundesanleihen.

Diese Argumentation verkennt, wie die freien Finanzmärkte funktionieren. Sie sind nicht rational, sondern neigen zu Verzerrungen. Sie produzieren systematisch Unsicherheiten. Am Ende würde selbst Deutschland als instabil gelten, weswegen die Anleger auch für die Eurobonds Risikoaufschläge verlangen würden.

Und was wäre bei Ihrer Variante eines Europäischen Währungsfonds anders?

Die Zinsbildung würde nicht mehr den Finanzmärkten überlassen, sondern die Euroländer würden klare Vorgaben machen. Um ein Beispiel zu nennen: Sie könnten eine Auktion starten, bei der sie zehnjährige Euro-Anleihen zu einem Zinssatz von 3 Prozent anbieten.

Und was passiert, wenn die Anleger nicht zugreifen?

Das ist sehr unwahrscheinlich. Denn es gibt ja ein enormes Volumen an Finanzkapital, das dringend nach sicheren Anlagemöglichkeiten sucht. Da sind 3 Prozent Zinsen besser als nichts.

Trotzdem: Ein Streik der Anleger ist nicht auszuschließen. Was dann?

Dann kauft der europäische Währungsfonds die Anleihen selbst auf. Die Mittel würde ihm die Europäische Zentralbank (EZB) zur Verfügung stellen.

Damit schlagen Sie vor, dass die EZB wie die US-Notenbank Fed agieren soll, die Staatsanleihen in großem Stil erwirbt.

Es gibt aber einen zentralen Unterschied: Die Fed will die Zinsbildung auf den Finanzmärkten nur beeinflussen - in meinem Modell würde der Zins zentral vorgegeben.

Bisher sind die EU-Staatschefs weit davon entfernt, Ihre Vorschläge aufzugreifen. Wird der Euro also auseinanderfallen?

Nein. Der Euro wird überleben. Man darf den Selbsterhaltungsdrang von Institutionen nicht unterschätzen. Wenn der Euro auseinanderbricht, dann würde auch die EZB sterben. Um dies zu verhindern, hat die EZB schon jetzt viele selbst gesetzte Regeln übertreten. Zum Beispiel kauft sie bereits Staatsanleihen auf. Diese Politik der Selbsterhaltung wird sie fortsetzen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

3 Kommentare

 / 
  • A
    A.Grech

    > Bisher sind die EU-Staatschefs weit davon

    > entfernt, Ihre Vorschläge aufzugreifen.

     

    Das sollte meiner Ansicht nach auch so bleiben.

    Es gibt keinen Königsweg heraus aus der Euro-Krise.

  • VP
    Vlado P.

    "Die Zinsen dürfen nicht über der Wachstumsrate liegen. Sonst treiben die schwachen Euroländer auf den Konkurs zu."

     

    Den ersten Teil sehe ich genauso. Wenn es kein Wachstum gibt, oder Negativ-Wachstum, so wie in Deutschland 2008 oder aktuell in Portugal, müssten damit allerdings auch die Zinsen negativ sein! In der derzeitigen Situation würde das kein "Anleger" mitmachen. Nur mit "umlaufgesichertem Geld", wie Silvio Gesell es als "Freigeld" vorschlug, wäre das umzusetzen.

     

    Dem zweiten Satz stimme ich nur mit Einschränkung zu: natürlich treiben die "schwachen Euroländer" schneller auf den Konkurs zu als z.B. Deutschland, aber die Flussrichtung ist die selbe...

  • RT
    reiner tiroch

    Der Rettungsschirm ist Makulatur. Was nutzt eine rettung wenn danach das geretette land vom Rating her auf Ramschpapiere runtergsetuft wird. 85 Mrd sind der tropfen auf dem heißen Stein, wenn 850 Mrd Schulden da sind. Da muß das Land schnell wieder gerettet werden. das ist so wie bei unseren bankenrettungen HRE usw.