Ökonom Flassbeck über Leitzinssenkung: "Die Geldmenge ist uninteressant"
Die US-Amerikaner werden als Erste die Krise überwinden, erwartet der Ökonom Heiner Flassbeck.
taz: Herr Flassbeck, die US-Notenbank greift mit dieser Zinssenkung zu einem drastischen Mittel, um eine Depression zu verhindern. Ist es gefährlich, die Geldmenge derart unkontrolliert zu erhöhen?
Heiner Flassbeck: Gefährlich ist im Moment in expansiver Richtung gar nichts. Die Geldmenge ist vollkommen uninteressant. Es besteht das Risiko einer Deflation. Dann investiert oder kauft niemand mehr, weil alle hoffen, dass es bald noch billiger wird. Auch die Europäische Zentralbank muss die Zinsen schleunigst reduzieren. Meine Prognose: Bis zum Frühjahr senkt sie den Leitzins wiederum in Panik auf 1,0 Prozent.
Trotzdem wirkt es hilflos, dass der US-Leitzins nun fast bei null ist. Was bleibt der Notenbank künftig noch übrig, um die Wirtschaft zu beleben?
Geldpolitik allein reicht natürlich nicht; man muss sie um große fiskalische Investitionsprogramme ergänzen. Aber genau das hat ja der künftige US-Präsident Barack Obama schon angekündigt. Am Ende werden die USA als Erste aus der Krise herauskommen - während die Europäer viel zu lange gezögert haben.
Der Dollarkurs rauscht in die Tiefe. Können die USA das gelassen hinnehmen?
Den Amerikanern ist es sehr recht, dass der Dollar fällt. Denn eine demokratische Regierung muss sich dauernd protektionistischer Ansinnen der Bevölkerung und der Republikaner erwehren. Das ist international sehr unangenehm. Dieses Problem ist automatisch gelöst, wenn der Dollar so niedrig liegt, dass ausländische Waren in den USA sowieso nicht mehr konkurrenzfähig sind.
Viele Experten sehen es kommen, dass, wenn der Dollar fällt, niemand mehr die vielen Staatsanleihen kauft, die die USA herausgeben müssen, um ihr Leistungsdefizit zu finanzieren.
Darüber denken die Amerikaner keine Sekunde lang nach. Denn sie wissen ganz genau, dass die internationalen Investoren gar keine Alternative zu den US-Staatsanleihen haben. Zudem wird schon die Psychologie der Anleger dafür sorgen, dass sie weiter ihr Geld in die USA tragen: Sie erwarten, dass der Dollar irgendwann wieder steigt, wenn er jetzt in den Keller geht.
INTERVIEW: ULRIKE HERRMANN
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