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■ ÖkolumneOptische Täuschungen Von Martin Jänicke

Nicht wahr, es ist doch so: In der Umweltpolitik haben wir schon viele Probleme gelöst. Den verbeibenden wenden wir uns zu. Schritt für Schritt geht es voran. Oder?

Leider gibt es im Umweltschutz viele optische Täuschungen. Eine davon war die Vorstellung, daß die Luftverschmutzung kein Problem mehr sei, weil der Himmel über der Ruhr und anderswo wieder blau geworden ist. Das Problem war über höhere Schornsteine in die Waldregionen verlagert worden. Und einer optischen Täuschung erliegen wir auch, wenn wir den Rückgang von Emissionen vor Ort ohne die Frage nach den neuen Filterabfällen bewerten.

Und schließlich täuschen wir uns leicht, wenn wir vorhandene Umweltentlastungen als definitive Problemlösung ansehen. Wir leben in einer dynamisch wachsenden Wirtschaft. In der werden Probleme selten ein für allemal gelöst. Es dominieren Lösungen auf Zeit, die im Wachstumsprozeß wieder aufgehoben werden können.

Wovon die Rede ist, läßt sich am umweltpolitischen Paradefall Japan verdeutlichen. Dort wurden nicht nur wichtige Schadstoffemissionen verringert. Nach einer unlängst erschienenen Studie der FU- Forschungsstelle für Umweltpolitik hat Japan unter 32 Industrieländern auch seine Industrie mit dem größten ökologischen Vorteil umstrukturiert. Die industrielle WertschöpfungFoto: Andreas Schoelzel

wuchs nicht nur rascher als z.B. der Stromverbrauch oder das Abfallaufkommen. Von 1973 bis 1985 nahm der industrielle Energieverbrauch absolut ab. Und auf der anderen Seite wuchs der Rohstoff- und Wasserverbrauch nach 1975 kaum noch. Selbst die auf Schiene und Straße gefahrenen Tonnenkilometer des Gütertransports blieben über die Jahre hinweg fast konstant. Dahinter steckt ein enormer Wandel in bestimmten Industriezweigen. Die Chemie-Industrie hatte zum Beispiel ein überproportionales Wachstum. Aber der Energieverbrauch ging deutlich zurück. In der Wirtschaftspolitik diskutierte man darüber, den Ressourcenverbrauch ähnlich einzuschränken wie den „Faktor“ Arbeit. Umwelt- und ressourcenintensive Industrien sollten möglichst nicht mehr wachsen. Davon kann man hierzulande manches lernen. Eine ganz andere Lektion steht aber allen Industrieländern bevor: Das hohe Wirtschaftswachstum hat in Japan dazu geführt, daß der erreichte Fortschritt lediglich Schlimmeres verhinderte. Und auch dieser Erfolg war nicht von Dauer: Nach 1985 stieg der Energie- und Rohstoffverbrauch wieder deutlich an. Auch einige gedrosselte Schwerindustrien expandierten wieder. Es nahmen auch die gefahrenen Tonnenkilometer des Gütertransports erneut zu. Und mit ihnen stiegen die Stickoxidemissionen wieder an. Der Stein liegt wieder unter. Sisyphos läßt grüßen.

Wir dürfen uns nicht täuschen lassen: In einer wachsenden Ökonomie müssen Umweltentlastungen immer erneut und immer radikaler herbeigeführt werden. Wenn es gut geht, wird der Umweltverbrauch künftig ebenso wegrationalisiert, wie das bisher – zunehmend sinnlos – mit der menschlichen Arbeit geschieht. Theoretisch läßt sich der Stoffumsatz der Produktion auf ein Tausendstel und weniger reduzieren. Langlebigkeit der Produkte, Miniaturisierung, Wiederverwendung, Effizienzsteigerungen aller Art sind hier einige Stichworte. Aber die tendenzielle Entmaterialisierung der Produktion muß in sie regelrecht hineingeprügelt werden. Wie schwierig die Dinge hier liegen, zeigt der Streit um die Energiesteuer. Und natürlich wollen die reichen Länder auf massive Wachstumsförderung keineswegs verzichten.

Man kann allerdings auch privat dagegen halten und die konsumtive Verschwendung abbauen helfen. Denn auch die gezielte Umverteilung überschüssigen Einkommens in die ärmeren Länder kann ein Beitrag zur Verringerung von Umweltbelastung sein – der wohlstandsbedingten und der armutsbedingten.

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