■ Ökolumne: Auf nach Berlin Von Reinhard Loske
Wenn übermorgen die Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen in Kraft tritt, werden viele kritische Geister nicht zu Unrecht fragen: Na und? Hieß es nicht nach dem Erdgipfel von Rio, die Konvention sei das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben stehe, weil verbindliche Mengen- und Zeitziele für die Reduzierung von Kohlendioxid und anderen Treibhausgasen fehlen? Und ist es nicht so, daß die Industriestaaten an Klimaschutz derzeit wenig Interesse haben, statt dessen aber alles daransetzen, das Wachstum der Weltwirtschaft anzuheizen?
Richtig ist, daß die Bestimmungen der Klimakonvention bislang bei weitem nicht ausreichen, da – mit Vorsatz – vieles im vagen belassen wird. Und dennoch: Gerade weil ökologische Ignoranz allerorten wieder sprießt und altes Denken die Szenebeherrscht, ist es sehr wichtig, daßdas Rahmenabkommen zum Schutz der Erdatmosphäre nun internationales Recht wird. In Rio nämlich haben sich mehr als 150 Staaten immerhin darauf festgelegt, „eine gefährliche anthropogene Störung des Klimasystems zu verhindern“ (Art. 2). Dieses ultimative Ziel allein macht es erforderlich, daß möglichst alle Glieder der Staatengemeinschaft der Klimakonvention beitreten.
Ratifiziert haben das Abkommen bislang erst 55 Staaten (Stand: Februar 1994), darunter die USA, die EU und China. Noch nicht ratifiziert haben hingegen große Entwicklungsländer wie Brasilien und – außer der Tschechischen Republik – die Industriestaaten Osteuropas. Sie gilt es zügig an Bord zu bekommen.
Die wichtigste Stärke der Klimakonvention liegt darin, daß sie auf einem evolutiven Konzept beruht. So müssen sich die Industrieländer regelmäßig und auf der Grundlage der aktuellsten wissenschaftlichen Erkenntnisse fragen, ob die Verpflichtungen aus der Konvention ausreichen, um „eine gefährliche anthropogene Störung des Klimasystems zu verhindern“. Ist das nicht der Fall, muß die Konvention verschärft oder durch entsprechende Protokolle ergänzt werden.
Wie das funktionieren kann, hat das 1987 verabschiedete „Montrealer Protokoll über Substanzen, die zum Abbau der Ozonschicht führen“, gezeigt. Dort konnte der Ausstieg aus FCKW und Halonen von Konferenz zu Konferenz wegen besorgniserregender wissenschaftlicher Erkenntnisse über dieReinhard Loske
Größe des antarkti- schen Ozonlochs beschleunigt werden. Heute ist bereits deutlich, daß die in der Klimakonvention formulierte vage Festlegung der Industriestaaten, ihre klimaändernden Emissionen bis zum Jahr 2000 auf dem Niveau von 1990 zu stabilisieren, unzureichend ist. Das räumen die meisten Regierungen auch ein. Heutiges Wissen vorausgesetzt, scheint eine weltweite Halbierung der gegenwärtigen CO2-Emissionen bis 2050 erforderlich. Es sind also über das Jahr 2000 hinaus klare Reduktionsziele für CO2 und andere Spurengase zu vereinbaren. Als erste Etappe sollte im Rahmen eines Protokolls die Verringerung der CO2-Emissionen in den Industriestaaten um mindestens 20 Prozent bis 2005 (gegenüber 1990) möglich sein.
Politisch wichtig ist allerdings, daß Klimapolitik in der Diskussion nicht auf den „Reduktionsimperativ“ verkürzt wird. Wer begeistert sich schon für kalte Zahlen? Wohlverstandener Klimaschutz ist vor allem ein technologischer und sozialer Innovationsimpuls, eine Herausforderung an die Energiewirtschaft, der Photovoltaik zum Durchbruch zu verhelfen, an die Automobilindustrie, das Drei-Liter-Auto zu bauen, an KommunalpolitikerInnen, ihre Städte lebenswerter zu gestalten, an uns alle, beim Konsum Qualität einzufordern und das „rechte Maß“ zu finden.
Die erste Konferenz der Vertragsparteien der Klimakonvention wird auf Einladung der Bundesregierung in einem Jahr in Berlin stattfinden. Für die Bundesregierung, Umweltgruppen und die kritische Öffentlichkeit ist diese große UN-Konferenz auf deutschem Boden eine Herausforderung. In der internationalen Klimapolitik nämlich haben „die Deutschen“ bislang einen guten Ruf, ob immer zu Recht, sei dahingestellt. Diesen Ruf gilt es durch glaubwürdige Klimapolitik im eigenen Land zu rechtfertigen, um ihn dann für ein gutes Gelingen der Konferenz in die Waagschale werfen zu können. Für die neue Bundeshauptstadt, die ihre internationale Rolle noch sucht, wäre ein solches „Berliner Protokoll“ eine gute Visitenkarte.
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