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■ ÖkolumneKöpfe hängen lassen! Von Manfred Kriener

Eine Plakataktion und ihre Folgen: Der Betriebsratsvorsitzende des Essener Energiekonzerns RWE, Manfred Reindl, sieht Greenpeace mit Standarten und Fahnen martialisch an die Umweltfront marschieren, ideologisch gleichgeschaltet, mit ihrem Chef Thilo Bode als Öko-Duce vorneweg und Axtbündeln statt Regenbogen im neuen Emblem. Die Plakataktion von Greenpeace, findet Herr Reindl kurz und heftig, sei „faschistoides Verhalten“. Basta.

Die Bayernwerke, Münchner Stromer mit höchstem AKW-Anteil im Lande, sehen die Hamburger Umweltfreunde als direkte Nachfahren von Ulrike Meinhof und Andreas Baader an. Die Plakataktion stehe im Zusammenhang zum „Terror der RAF“, funkt Otto Majewski aus seinem Vorstandsbunker. Auch die RAF sei in ihrer „ideologischen Verblendung zu Gewalttaten gegen Menschen übergegangen“.

Faschistoid, terroristisch, gewalttätig: Die Mimosenrepublik Deutschland steht kopf. Zwei Köpfe – die Konzernbosse Piäch (VW) und Kuhnt (RWE) – sind die Ursache. Sie wurden von Greenpeace auf Plakatwänden republikweit und steckbriefähnlich als „Klimakiller“ abgebildet. Seitdem tobt – auch Greenpeace-intern – der Streit. Darf man so was? Das Oberlandesgericht Hamm sagt nein. Das Oberlandesgericht Braunschweig sagt ja: Schon zum zweiten Mal wurde eine einstweilige Verfügung abgelehnt.

Der PR-Erfolg der Aktion ist schon jetzt überwältigend, aber ist sie deswegen legitim? Interessanterweise werden die Plakate von Zeitgenossen abgelehnt, die noch von „Charaktermasken“ faseln: Konzernmanager seien austauschbare Funktionsträger, statt dessen müsse der Konzern angeprangert werden. Das ist Quatsch. Nach dieser Logik darf überhaupt niemand mehr kritisiert werden. Kohl, Töpfer, Merkel, Clinton – lauter Charaktermasken?

Hinter der Greenpeace-Aktion steckt der wichtige Gedanke, daß Menschen persönlich Verantwortung für das Umweltdesaster tragen. Die jüngste Stasi-Debatte, und vor allem die Aufarbeitung der Nazizeit, haben immer wieder die individuelle Verantwortung in den Mittelpunkt gestellt. Ist das bei der Ökologie plötzlich anders? Auch die Greenpeace-Plakate thematisieren diese Verantwortung und holen die grauen Eminenzen aus ihrer Anonymität heraus – wer kennt schon Dietmar Kuhnt?

Piäch, einer der letzten großen PS-Ideologen, ist bekannter. Er hat nicht nur jede Spur grüner Tünche beim VW-Konzern beseitigt und die zumindest nachdenklichen Manager Goedevert und Steger davongejagt. Er verklärt das Staumobil zum letzten Hort von Freiheit und Abenteuer: „Das Auto ist einer der wenigen Orte, viel besser als ein Haus oder eine Wohnung, in die man sich zurückziehen kann. Die Autokarosserie ist sozusagen eine zweite Außenhaut des Menschen ... Freiheit wird durch unsere immer enger werdende Welt eingeschränkt. Das Auto bietet sich da als menschliche Zufluchtstätte an.“ So viel gestanztes Blech: Wer so redet, ist kein unschuldiger Exekutor des großen Konzernwillens, sondern aktiver PS-Missionar und darf als Klimakiller geoutet werden. Für Kuhnt („Auch ich bin ein Umweltschützer“), der in jedem zweiten Interview deliriert, daß es „keine nachweisbaren Kausalketten zwischen CO2-Ausstoß und Erwärmung der Erdatmosphäre“ gibt, gilt dasselbe. Beide stehen für die Monströsität des Weiter-So. Bliebe die Aufmachung der Greenpeace-Plakate: Wird hier zur Treibjagd geblasen, werden Industriebosse „tot oder lebendig“ gesucht? In Wahrheit wird keinem der beiden ein Haar gekrümmt. Piäch und Kuhnt stehen am Pranger, aber sie sind nicht zum Abschuß freigegeben. Übrigens: Auch Ferdinand Piäch ist ein großer Freund von direkten und ungewöhnlichen, ja sogar militanten Aktionen. Der Welt vertraute er vor zwei Jahren an: „Es ist mein Grundglaube, daß Damen, die den Nerz nach außen tragen, berechtigt besprüht werden.“ Na aber hallo! Laßt die Köpfe hängen.

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