■ Ökolumne: Energie im Angebot Von Gerd Rosenkranz
Das Wehklagen will kein Ende nehmen. Der schwächelnde Standort Deutschland, schon jetzt fast erdrückt unter der Last horrender Energie- und Stromrechnungen, steht vor schweren, schweren Prüfungen. Die Wirtschaft, jammert der Bundesverband der Deutschen Industrie, droht zu ersticken, wenn auch noch Ökosteuern die Energie künstlich verteuern. Und die Stromkonzerne selbst? Von der Bürde deutscher „Sonderlasten“ und milliardenschwerer Profite gebeutelt, erwarten sie zitternd den Todesstoß, wenn die Brüsseler Eurokraten tatsächlich billigen „Franzosenstrom“ ins Land lassen.
Lacht da jemand? Welches Lied wird der Chor der Gebeutelten und Entrechteten in der kommenden Woche anstimmen, wenn sich nicht mehr verheimlichen läßt, daß das Ende von „Kohlepfennig“ und „Jahrhundertvertrag“ zum Jahreswechsel die Strompreise in ganz Westdeutschland in den Keller fallen läßt? Die Vereinigten Elektrizitätswerke Westfalen etwa gönnen in ihrem Monopolbereich Industriekunden einen Preisabschlag von 23 Prozent, private Stromverbraucher müssen um 10 Prozent weniger berappen. VEW- Vorstandschef Fritz Ziegler bejubelt die „größte Preissenkung unserer Geschichte“, um zwei Atemzüge später die „höchsten Umweltauflagen“ zu beklagen, die Elektrizität hierzulande fast unerschwinglich machen. Auch Wolfgang Clement, Wirtschaftsminister der rot- grünen Koalition in Düsseldorf, verteilte vorweihnachtlich milde Gaben. Er beglückte „alle Kundengruppen“ im Lande mit der Ankündigung von „Strompreissenkungen um durchschnittlich 13 bis 16 Prozent“. Nie in den vergangenen 25 Jahren war Industriestrom so billig wie heute. Nach der Jahreswende erreicht er im Westen ein historisches Tief.
Nun ja, könnte man meinen, war auch mal an der Zeit, nachdem doch bisher alles immer teurer wurde. Aber so ist es nicht. Jedenfalls nicht, wenn es um Energie geht. Außerdem: Wer glaubt, damit werde Ruhe einkehren an der Jammerfront, täuscht sich. Der Feldzug der Stromlobby gegen das im Bundestag 1990 einstimmig verabschiedete „Stromeinspeisungsgesetz“ geht mit voller Härte weiter. Die Regelung garantiert privaten Erzeugern von umweltfreundlich erzeugtem Strom eine angemessene Vergütung – und löste seit ihrer Verabschiedung einen explosionsartigen Windenergieboom und damit eine der wenigen ökologischen Erfolgsstorys der letzten Jahre aus. Würde das Gesetz ausgedehnt auf eine kostendeckende Vergütung von Sonnenstrom, könnte auch diese Zukunftsenergie binnen weniger Jahre aus ihrem Dornröschenschlaf befreit werden. Die Massenproduktion würde teuren Photovoltaikstrom um einen Faktor vier billiger machen, übrigens nach Untersuchungen der Stromkonzerne. Deutschland wäre schlagartig das Mekka der Zukunftsenergie Sonne, ein bißchen weniger Kohlendioxid stiege in die Atmosphäre, und die Stromkonzerne müßten ein ganz kleines Stückchen ihres Monopols an Millionen kleiner Selbstversorger und Netzeinspeiser abgeben. Und die Strompreise? Die würden etwas weniger fallen, als sie es ab kommenden Montag tun.
Es wird wohl ein Traum bleiben. „Neue Subventionstatbestände“, schallt es aus der Frankfurter VDEW-Zentrale, sollten nun den Kohlepfennig ablösen. Um den Weg vor das Bundesverfassungsgericht zu ebnen, verweigerten im vergangenen Frühjahr einige Stromversorger nach entsprechenden Absprachen mit den VDEW-Strategen in Frankfurt die gesetzliche Vergütung. Im Bundestag geißelten alle Fraktionen den „offenen Rechtsbruch“. Vergeblich. Legal, illegal, scheißegal, denken sich die Stromer. Weil es um den Erhalt des Alleinvertretungsanspruchs in Sachen Elektrizität geht, marschiert eine der mächtigsten Industriebranchen im Lande schnurstracks in die außerparlamentarische Opposition.
Die ökologische Debatte gerät so leicht ins Absurde. Nach fünfzehn Jahren intensiver Diskussionen über Energiepreise, die „nicht die ökologische Wahrheit sagen“, dies aber tun sollten, sinken eben diese in den Keller. Übrigens nicht nur beim Strom. Auch die Energiepreise insgesamt dümpeln inzwischen inflationsbereinigt unter dem Niveau von 1973, dem Jahr der ersten Ölpreiskrise. Um es mit Willy Brandt zu sagen: „Das ist doch auch schon ein schöner Erfolg!“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen