■ Ökolumne: Die Jeinsager Von Wolfgang Löhr
An den Standorten von Freisetzungsexperimenten stehen sich die Gegner und Betreiber der Gentechnologie unversöhnlich gegenüber. Gelegentlich werden sie auch mal handgreiflich. Fernab vom Versuchsacker sitzen „Macher und Mahner“ in einer Akademie oder im Conference Center des Airports Frankfurt friedfertig am Runden Tisch. Nachdem die mangelnde Akzeptanz in der Öffentlichkeit mit zum wichtigsten Innovationshemmnis geworden ist, suchen immer mehr Vertreter der Gentech-Industrie in ihrer Not den Dialog mit den Umwelt- und Verbraucherorganisationen.
Gleich an drei runden Tischen wird über das Pro und Contra der Gentechnik diskutiert: Unter der Federführung des Industrieverbandes Körperpflege- und Waschmittel (IKW), der die Interessen der bundesdeutschen Hersteller von Reinigungsmitteln vertritt, kamen die Kontrahenten, darunter die Verbraucherzentralen, das Ökoinstitut Freiburg und der Hausfrauenbund, schon seit über zwei Jahren regelmäßig zu Workshops zusammen, um über die Vor- und Nachteile gentechnisch hergestellter Waschmittelenzyme zu reden. Bei den Unilever-Gesprächen, die im Frühjahr 1994 begannen, diskutieren unter anderem der Bund und die Bonner Verbaucherinitiative in vertraulicher Runde vor allem über ein in den Niederlanden bereits eingesetztes Backenzym. Das dritte Diskursprojekt, das auf eine Anregung des niedersächsischen Ministerpräsidenten Gerhard Schröder zurückgeht und von der Evangelischen Akademie Loccum durchgeführt wurde, hatte die „Gentechnologie in Niedersachsen“ zum Thema. Dort ist man Anfang Mai nach insgesamt zwölf Workshops und Fachgesprächen mit einem ganzen Katalog an gemeinsamen, aber doch sehr vage gehaltenen, Empfehlungen für die Landesregierung zu einem vorläufigen Abschluß gekommen.
Drohungen und Ängste bestimmen das Klima. Bei den Kritikern, die unermüdlich herauszubekommen versuchen, welche der Produkte heute schon mit Hilfe der Gentechnik hergestellt werden, schwingt ständig eine Boykottandrohung mit. Für die um ihr Image besorgten Industrieunternehmen reicht das oftmals schon aus, die Finger wegzulassen von der in Verruf geratenen Technologie, oder aber die Produktionsmethoden geheim zu halten. Eine regelrechte Selbstblockade in der Produktions- und Vertriebskette macht der Gentech-Industrie das Leben schwer.
Die Kritiker der Gentechnologie haben es nicht nötig frustriert den Kopf einzuziehen. Obwohl jetzt schon fast kein gentechnikfreies Waschmittel mehr zu bekommmen ist und die Zahl der Gentech-Nahrungsmittel in den Supermärkten wächst, obwohl immmer mehr Freisetzungsexperimente mit genmanipulierten Organismen durchgeführt werden und obwohl der Deregulierungsreigen in Bonn und Brüssel unvermindert anhält, können sich die Erfolge der Kritiker durchaus sehen lassen. Warum sonst wohl sind sie zum begehrten Gesprächspartner der Industrie geworden? Wer sonst hat für den gesellschaftlichen Druck gesorgt, der ein Technikfolgenabschätzungsprojekt das nächste ablösen läßt, daß Landesregierungen sich genötigt sehen, Werbegelder zur Verfügung zu stellen? Die Gentechnologie ist noch lange nicht hoffähig geworden.
Kein Grund besteht also für die Mahner, ihre einzige verfügbare „Waffe“ gegen eine Platzkarte am Runden Tisch einzutauschen: ihr „Mobilisierungspotential“. Nur das ist es, was die Macher noch vor dem endgültigen Durchmarsch abhält.
Mißtrauen breitet sich in der einst unter dem Motto „Essen aus dem Genlabor – Natürlich nicht“ vereinten Kritikerszene aus. Die eckigen Kanten der Runden Gentech-Tische werden spürbar. Sie scheiden die „Guten“, mit denen man reden kann, von den „Bösen“, die beharrlich auf ihr Nein bestehen. Uneins ist man jetzt auch in der Unilever-Runde. Während die Verbraucherinitiative sich zu einer gemeinsamen Stellungnahme mit Unilever durchgerungen hat, verweigert der Bund die Unterschrift. Ist ein Bruch der Kritikerszene zu befürchten? Dann wird auch ihre Macht bröckeln. Spätestens dann sind sie auch als Gesprächspartner für die Industrie nicht mehr gefragt.
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