■ Ökolumne: Rauch muß steigen! Von Daniel Don Nanjira
Entscheidend ist, was hinten rauskommt, besagt eine deutsche Weisheit. Das gilt auch für die UN-Weltkonferenzen, die gerade während der 90er Jahre tagen und tagen, mit gewaltigem Aufwand an Arbeitsstunden und Spesengeldern in Szene gesetzt. Wie jetzt der Ernährungsgipfel in Rom. Seit einem Vierteljahrhundert beobachte ich das Ritual der Verabschiedung von Weltaktionsplänen. Sie krönen als 100seitige Schlußdokumente die Gipfel. Auch wenn man ihren Konsens, umhüllt von politischem Weihrauch, als Minimalerfolg betrachtet, so bleibt doch die zweite, viel wichtigere Stufe meist erfolglos – die Umsetzung der verkündeten Leitideen und Ziele wie die Beseitigung des Hungers, die Bekämpfung der Armut, die Verwirklichung der Menschenrechte. Die Gründe dafür kamen bei einem UN-Round-table in Berlin über die Zukunft der Weltkonferenzen zur Sprache: Gipfelbeschlüsse sind in aller Regel kein verbindliches Recht. Außerdem mangelt es an politischem Willen, sie mit Leben zu erfüllen. Denn die höchsten „Bosse“ sind nicht an ihrem Zustandekommen beteiligt, sondern nur die Vertreter ihrer Stellvertreter. Zudem halten alle ihre Hand aufs Portemonnaie, wenn es darum geht, die Beschlüsse auch umzusetzen.
Daher mein Vorschlag zur „UN-Reform“: Man betraue anerkannte Persönlichkeiten der Weltpolitik mit der Gipfelvorbereitung, z.B. einstige Staatsoberhäupter, etwa Julius Nyerere und Jimmy Carter, Richard von Weizsäcker und Michail Gorbatschow. Danach wird der Gipfel einberufen – ein Runder Tisch, an dem nur Präsidenten, Kanzler, Premiers und die anderen Leader dieser Welt Platz nehmen. Die Crux: Sie tagen in einem Haus ohne Ausgang, werden „weggeschlossen“. Es folgt ein Procedere wie bei der Papstwahl: Erst wenn Rauch aufsteigt und einheitliche Beschlüsse gefaßt sind, dürfen die Beteiligten den Ort verlassen. Illusion? Im kleinen hat das mit den Führern des Bosnienkrieges in Dayton geklappt. Und warum sollte nicht der geläuterte Papst selbst den Vorsitz übernehmen?
Nun trinkt Bill Clinton neben Saddam Hussein sein Mineralwasser, Kenias Daniel Moi debattiert Seite an Seite mit Nelson Mandela, und Helmut Kohl sitzt Fidel Castro gegenüber. Der Platz ist eng, die Verhandlungsgegenstände hart: Es sind die Herausforderungen einer neuen Weltordnung – die praktische Verwirklichung aller UN-Konferenzbeschlüsse, die Beseitigung von Elend, Kriegen und Naturzerstörung.
Aber nicht nur die Lösungsstrategien, sondern auch die finanziellen, personellen und juristischen Instrumente zu ihrer Umsetzung müssen ausgehandelt werden. Davor darf niemand seinen Platz verlassen, auch der „Statthalter Gottes auf Erden“ nicht. Am Ende der Konferenz liegt dann ein integriertes und effizientes Konzept vor mit verbindlichem Charakter für alle.
Man denke an die geballte Macht und intellektuelle Kompetenz, die von den großen und weniger großen Führungsfiguren einer solchen Konferenz ausgeht! An die Menge ergrauter und auch kahler Köpfe, majestätischer Augenbrauen und weiser Bärte. Gleichsam eingemauert, nur mit ihresgleichen allein unter der Obhut des Papstes – der Erfolg wäre gewiß. Wenn der Pontifex maximus zum Auftakt ein Gebet für die Erleuchtung der Seelen anstimmt, gedenken alle der großartigen Beweger in der Weltpolitik: Mahatma Gandhi und Martin Luther King, Sadat und Chou En-lai, Alexander Dubček und Eleanor Roosevelt. Und der vielen anderen Frauen und Männer, die das Leben auf diesem Planeten lebenswerter gestalten wollten.
Last, but not least: die Überprüfungskonferenz. Auf den Tag genau ein Jahr nach Abschluß des „Gipfels der Gipfel“ tritt sie zusammen. Nun gilt es, die Umsetzung des zwölf Monate zuvor Beschlossenen zu überprüfen. Doch das wird nicht zweitrangigen Chargen überlassen. Abermals finden sich sämtliche Staatsoberhäupter ein – und die Tür fällt hinter ihnen ins Schloß. Erst wenn eine Resolution klipp und klar benennt, was geschafft und was noch zu bewältigen ist, öffnen sich die Pforten. Dann, und nur dann, nehmen die Völker ihre höchsten Vertreter wieder in Empfang. Bis zum nächsten Jahr.
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