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■ ÖkolumneWeltmarkt total Von Wolfgang Kreissl-Dörfler

Die Globalisierung wird immer wieder als Naturereignis dargestellt, das Opfer hinterläßt. Besonders die deutsche Regierung benutzt dieses Bild gern als Rechtfertigung für ihre neoliberale Wirtschaftspolitik und die Demontage des sozialen Netzes. Langsam setzt sich die Erkenntnis durch, daß es Täter in diesem Spiel gibt. Schließlich haben Politiker die Spielregeln für den Welthandel aufgestellt.

Und das bisher meist still und leise. Eigentlich sollte auch das multilaterale Investitionsabkommen (MAI) der OECD-Länder längst unter Dach und Fach sein. Ein wichtiger Grund, warum es immer noch in der Luft hängt, ist bezeichnenderweise ein außenpolitischer: Die USA wollen nicht auf ihr umstrittenes Helms-Burton-Gesetz verzichten, mit dem sie ausländische Investitionen in Kuba massiv behindern.

Dabei hatte alles so schön reibungslos begonnen: Ende 1994 wurden in Marrakesch feierlich die neuen Gatt-Verträge unterzeichnet, womit der kontinuierliche Abbau von Zöllen und nationalen Marktschranken besiegelt war. Wenige Wochen später, im Januar 1995, nahm als Wächterin über die neuen Verträge die Welthandelsorganisation (WTO) ihre Arbeit auf. Dem freien Welthandel stand nichts mehr im Wege.

Nun waren die Direktinvestitionen dran. Eine weitgehende Liberalisierung, das wußten die Wirtschaftsgroßmächte, würde innerhalb der WTO auf Widerstand stoßen, besonders bei den Entwicklungsländern, die dem Druck internationaler Konzerne schon jetzt wenig entgegenzusetzen haben. Also wurde der Plan auf die OECD-Ebene verschoben, wo die 29 reichsten Länder unter sich sind. Um von den globalen Investitionsströmen nicht abgekoppelt zu werden, würden die anderen Staaten früher oder später dem Abkommen schon beitreten – ohne Einfluß auf den Inhalt.

Das MAI hat weitreichende Konsequenzen. Renato Rugiero, der Generaldirektor der WTO, nennt es gar die „Verfassung für die Weltwirtschaft“. Der vorliegende Entwurf schränkt den politischen Spielraum der Staaten zugunsten ausländischer Investoren drastisch ein. So können Investitionen nun nicht mehr verhindert werden, die den Entwicklungszielen des Landes widersprechen oder ökologisch unverträglich sind. Neue Gesetze dürfen Unternehmensgewinne nicht gefährden, und Umwelt- und Sozialstandards müssen dem Abkommen nach und nach angepaßt werden. Bisher sahen Parlamente sowie die sogenannte Zivilgesellschaft tatenlos zu, wie sich die Politik zugunsten der Ökonomie selbst zu entmachten scheint.

Doch mit der Verzögerung des MAI-Abkommens wächst das öffentliche Interesse. Studenten diskutieren ausführlich Auswirkungen und Folgen des Abkommens, Gewerkschaften und regierungsunabhängige Organisationen (NGO), wie etwa Weed Deutschland, mischen sich ein. Sie formulieren ihre Kritik und fordern mehr Öffentlichkeit für dieses brisante Thema.

Die aufgebrochene Diskussion um das MAI mag überraschen, nachdem der Abschluß der Gatt-Verträge und die Gründung der WTO so reibungslos über die Bühne gegangen sind. Auch diese waren schon sehr früh von einigen Verbraucherverbänden und Nord- Süd-Initiativen kritisiert worden. Sie beklagten unter anderem das Demokratiedefizit und mangelnde Transparenz. Manche befürchteten den Rückfall in die Geheimdiplomatie des Absolutismus und Gefahren für die Demokratie. Doch eine öffentliche Diskussion des abstrakten und scheinbar fernen Problems kam nicht zustande, das gilt besonders für Deutschland.

Das ändert sich erst, seitdem die Auswirkungen direkt auf unserem Teller landen: Die Debatte um gentechnisch veränderte Lebensmittel, der Versuch der USA, über die WTO das europäische Hormonfleischverbot auszuhebeln, aber auch die Bananenmarktpolitik der EU lenkten den Blick einer breiten Öffentlichkeit auf die Schatten, die der freie Weltmarkt wirft.

Mitte nächster Woche wird sich erstmals ein Parlament mit dem MAI beschäftigen: Die Europa-Abgeordneten in Straßburg geben ihr Votum. Ich bin sehr optimistisch und erwarte eine deutliche Sprache. Die Abgeordneten könnten eine kritische Debatte in den nationalen Parlamenten anstoßen, die das Abkommen ratifizieren. Deren Votum wird die Wirtschafts- und Sozialpolitik der nächsten zwanzig Jahre entscheidend prägen.

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