piwik no script img

Öko-Discounter im VormarschBio, Masse und Macht

Die Bio-Branche ist im Umbruch. Immer mehr Discounter steigen in das Geschäft ein: 60 Prozent des Umsatzes wird allein von den ihnen erzielt.

Bio wohin das Auge blickt. Bild: ap

BERLIN taz | Die Großen fressen die Kleinen. Das gilt seit einigen Jahren auch für die Biobranche. Die rasante Zunahme der Biosupermärkte, der Einstieg der Discounter und des konventionellen Lebensmitteleinzelhandels in den Sektor haben tiefe Spuren beim Bioladen um die Ecke hinterlassen.

So eröffneten im vergangenen Jahr in Deutschland 63 neue Bio-Supermärkte, gleichzeitig machten 84 kleinere Biofachgeschäfte mit einer Verkaufsfläche von unter 100 Quadratmetern den Laden dicht.

"Der Strukturwandel setzt sich fort", heißt die jährlich wiederkehrende Überschrift der Branche. Klar ist, dass ohne diese veränderten Verkaufsstrukturen der Bioboom der letzten Jahre nicht möglich gewesen wäre. Alleine die Discounter verkaufen heute bei Biokartoffeln nach Schätzungen der Branche - Aldi veröffentlicht ja keine Zahlen - mehr als die Hälfte der ökologisch angebauten Knollen.

Insgesamt dürften Discounter und Lebensmittelfilialisten wie Edeka und Co. in der Bundesrepublik 50 bis 60 Prozent aller Biowaren umsetzen.

Die Großen haben zwar oft nur ein kleines Biosortiment, aber dafür eine riesige Kundschaft. Der Vergleich mit dem Ausland zeigt, dass der Biofachhandel bei uns dennoch einen relativ großen Anteil hat. In vielen europäischen Ländern werden mehr als drei Viertel der Bioprodukte im normalen Lebensmitteleinzelhandel abgesetzt.

Schweden ist mit einem Anteil von mittlerweile rund 90 Prozent Spitzenreiter, auch die übrigen skandinavischen Länder, die Schweiz oder Großbritannien liegen hier - nach Angaben des Bunds ökologische Lebensmittelwirtschaft - bei über 75 Prozent.

Die deutschen Biosupermärkte wiederum haben es geschafft, den Kunden ein Vollsortiment mit teilweise über 8.000 Artikeln anzubieten. Mit diesem großen Vorteil wachsen sie kontinuierlich und gehörten in den vergangenen Jahren auch zu den Treibern.

Manon Haccius vom Marktführer Alnatura, der in Deutschland 48 Supermärkte besitzt, sieht noch keine Sättigungseffekte und glaubt an weiteres "ordentliches Wachstum". Die Sehnsucht der Verbraucher nach mehr Natürlichkeit, nach Regionalität und Ursprünglichkeit sei nach wie vor noch ungebrochen - auch in Zeiten der Krise.

Dass ein Großteil der Kundschaft idyllische und romantische Vorstellung mit Biohöfen und Ökoprodukten verbindet, ist sicher unbestritten. Dazu gehört auch, dass der Marktanteil von "Bio" meist überschätzt wird. Absolut betrachtet, ist dieser Marktanteil der Branche von drei bis vier Prozent immer noch sehr klein.

Bei einer Verbrauchermacht von 80 Millionen und knapp sechs Milliarden Euro Umsatz ist die Bundesrepublik gleichzeitig und mit Abstand der größte Biomarkt Europas. Sieht man sich den Pro-Kopf-Verbrauch an, dann liegen die Deutschen mit 64 Euro im Jahr an vierter Stelle. Hier führt Dänemark mit 107 Euro vor Österreich (89) und Luxemburg (86).

Schwachpunkt der heimischen Biobranche ist das langsame Wachstum auf der Erzeugerseite, was dazu führt, dass zunehmend mehr Biowaren aus dem Ausland kommen. Bei den ökologisch bewirtschafteten Flächen wurde 2008 ein Plus von rund fünf Prozent erzielt, während auf Verbraucherseite das Wachstum mit zehn Prozent doppelt so hoch ausfiel.

Der Boom der letzten Jahre ging also teilweise an der heimischen Scholle vorbei. Nur fünf Prozent der landwirtschaftlichen Flächen Deutschlands werden heute ökologisch bewirtschaftet, in Österreich sind es zwölf Prozent, in Lettland zehn. Grund dafür ist die bei uns schlechte Förderung der Umstellung auf Biolandwirtschaft, die in anderen Ländern großzügiger ausfällt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

12 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • S
    steffimelda

    hahaha, wenn irgendwann die schlupfloecher fuer hersteller so gross sind, dass die ihrem vermeindlichen "bio"-kaese auch bloss nur noch irgendeine analoge plastik-masse drunterruehren, dann lache ich alle aus, die kompromisslos jeden scheiss gekauft haben, nur um ihr trendbewusstes, konsumgeplagtes schlechte gewissen zu beruhigen!

     

    der gipfel des bio-wahnsinns ist fuer mich bio-kinderketchup, der den eltern derart die tomaten auf den augen wachsen laesst, dass sie doch total davon ueberzeugt sind, mit der einnahme dieses produkts wuerde sich nicht nur das koerperliche, sondern auch das geistige befinden ins immense steigern lassen. aber moment: wie viel zucker war da noch gleich drin? etwa genau so viel wie in herkoemmlichen ketchup? und wo stammen die tomaten her? wurden die eventuell ueber nacht von den kanarischen inseln eingeflogen?

     

    fazit: "bio" schuetzt nicht vor karies, auch nicht vor verpestung der luft mit abgasen, und erst recht nicht vor der unendlichen menschlichen dummheit. (was habt ihr davon, wenn ihr zwar nitratarme - nitratarm, nicht nitratfreie! - sachen in euch reinstopft, davon zwar keinen krebs bekommt, aber dafuer am feinstaub erstickt, den euer aus italien angekarrter bio-parmaschinken produziert - hm?!)

     

    ich bin absolut fuer eine lebensmittelproduktion (von "landwirtschaft" kann man heute ja fast gar nicht mehr sprechen), die fair und oekologisch ist, aber bio um jeden preis finde ich nicht erstrebenswert und sollte von jedem einzelnen kritisch hinterfragt werden:

     

    ein bio-kaffee ist nicht besser als herkoemmlicher, wenn sowohl die plantagenarbeiter als auch die hafenarbeiter als auch die supermarktkassierin trotzdem nur ein paar cent vom grossen kuchen abbekommen. eine bio-erdeere ist nicht besser als eine herkoemmliche, wenn sie zu weihnachten aus suedafrika eingeflogen wird.

     

    schluss mit der heuchelei - darum bin ich aehnlicher meinung wie vic und sage: regional und saisonal ist allemal besser als eine verlogene bio-mogelpackung.

     

    guten appetit!

  • M
    Markus

    Die Statistik.

    Also Horst Hartmann hat sicher Recht. GfK sollte man nur glauben, wenn die Datengrundlagen bekannt sind. Da geht deutlich zu viel via Strichcode und zuviel in den Metropolen.

    Der Bioabsatz läuft aber gottlob zB bei Obst und Gemüse zu nicht unerheblichen Teilen unerfaßt (= beim Bauern/Erzeuger direkt, auch auf dem Markt & in den Läden mit losem Angebot und ohne Scannerwaage), da kommen auch die Branchenermittler nicht ran. Wenn es also heißt, Aldi und Co würden in Deutschland die meisten Kartoffeln, Möhren und Eier (etc) verkaufen, ist das eine recht verbogene Aussage. (nicht nur, was deren Biostandarts betrifft)

     

     

    Zu Vics Kommentar:

    Die Verfügbarkeit von regionalen Bioprodukten hängt ganz davon ab, wie ich mich oranisiere, wir selbst haben noch (und auch schon wieder) regionale Äpfel, gleiches sah ich in Schl.-Hol.

    Drumm prüfe, wer kauft.

  • A
    angsthase

    kleine Läden die ich kenne teilen sich in verschiedene Gruppen, manche wollen reichere gebildete Leute, manche haben ein herz fuer treber, manche schimpfen ueber sie, es gibt politische, esoterische, Design, veruchene, muffige, klosterlöden, feinkostläden, Reformhäuserfranchise, mit Naturmöbeln, und und.

     

    Die Staerke des kleinen liegt in seiner Freiheit sich zu gestalten. So muss auch die Siicht darauf freiher sein. Manche Läden schliesen, weil Sie Bio falsch verstehen und es vieleicht mit etwas anderem verwechselt haben.

     

    In der Freiheit liegt grosse chanche. Auf wirkliche nachfrage und beduerfnisse einzugehen. Und eventuell auch fuer die angrenzenden NAchbarn.

    Nachbarläden.

     

    In einem kleinem Laden verkauf ich auch mich selbst und mein eigenes Konzept und meine Kultur. Wenn das nicht klappt oder zu autistisch ist. Was dann?

    Wie soll ich mangos verkaufen in einer stadt mit vielen Nazis und Peruaner werden angepöbelt.

    Bio hat auch etwas mit hinschauen zu tun. und sich fuer das einsetzen. In dem Fall Antirassismus.

     

    Mangos verkaufen und zusehen wie Ausländer vertrieben werden. ein Betrug der Menschen die hier nach Deutschland wollen.

    Viele denken Deutschland ist so toll.Anscheinend fuer die Ware! Die Menschen muessen sich stark anpassen ihre eigene Kultur verlassen. Und eventuell abgeschoben werden. Whärend die Mongo oder die Avocade hierbleiben darf.

  • M
    may

    Was mich wirklich interessieren würde wäre ein Vergleich: In welchen Biosupermärkten arbeiten denn noch Fachkräfte? Zu welchem Stundenlohn? Bei einer Bezahlung von 6.5€/h wissen die Aushilfen doch oft nichtmal den Unterschied zwischen Demeter und Bioland.

     

    Die Geiz-ist-Geil Mentalität treibt die Besserverdiener die sich für was Besseres halten in Scharen zu Biocompany, Basic, Alnatura & Co. Wo sie sich dann guten Gewissens teure Ware kaufen. Der kleine Bioladen an der Ecke hat halt nicht 8000 Artikel im Sortiment und muss die bessere Qualifikation der Mitarbeiter auch über einen höheren Preis finanzieren.

  • B
    Bio

    >>Nur schade daß die deutschen Bauern so unflexibel sind und der Entwicklung hinterherhinken.

  • A
    Andreas

    Ist doch prima, wenn mehr Leute Biowaren kaufen. Ich freue mich wenn es mehr und preisgünstige Bioware gibt, und zwar auch in Biosupermärkten und vor allem auch in den "ganz normalen Märkten/Supermärkten". Nur schade daß die deutschen Bauern so unflexibel sind und der Entwicklung hinterherhinken.

     

    - Und liebe Vorkommentatoren, soll man dann lieber konventionelle Ware kaufen, oder was für kluge Lösungen habt ihr? - Dann doch lieber Import von Bio-Ware.

  • EA
    Ernst Albrecht

    >Wenn alle so auf Bio stehen, warum fahren sie denn >dann nicht mal aufn Hof? So viele Bauern bauen gut >und sinnvoll an, aber den Salat kauft man dann >fürs doppelte bei Rewe und der kommt trotzdem aus >Holland. Sowas dämliches!

     

    Jaja, da schwingt sich die Bäckereifachverkäuferin nach der Arbeit aufs Fahrrad und radelt 28 Kilometer von Köln-Kalk nach Bergheim, um beim guten Bauern Uwe den Bio-Salat für 35 Cent zu kaufen. Oder der Herr "Bio" gibt seinen Untergebenen die nötigen Befehle, setzt sich in seinen dicken Mittelklassewagen, um beim Bauern Uwe selbstherrlich das wohlfeile Gemüse zu kaufen und wichtigtuerisch herumzuschwadronieren und sich im Glanze seiner Biohaftigkeit und Guttuerei zu sonnen. Daher: Lieber fader Hollandsalat für 95 Cent als dünkelhafte großbürgerliche Biowichtigtuer.

    Grüße, E.A.

  • B
    Bio

    Diese Biosupermärkte sind eine absolute Frechheit, da steht dann PinkusPils und Weledamilch vorne, nur um weiter hinten den gleichen Scheiss wie bei Aldi zu verklappen. Ich kann diese Trendwelle weder verstehen noch gutheißen, denn so stumpf wie die Leute alles mit dem Schildchen "Bio" kaufen und dann wie die Finnkorns von Aldi letztlich gefärbtes, gepresstes Weißmehl mit der Überschrift "35% Roggenschrot" in der Tasche haben, ist die ganze Sache ein Witz.

     

    Wenn alle so auf Bio stehen, warum fahren sie denn dann nicht mal aufn Hof? So viele Bauern bauen gut und sinnvoll an, aber den Salat kauft man dann fürs doppelte bei Rewe und der kommt trotzdem aus Holland. Sowas dämliches!

     

    Ich finde im Übrigen, dass die taz an dieser Stelle ein wenig kritischer sein könnte, und nicht von einem tollen Wechsel sprechen sollte.

  • V
    vic

    Bitte nicht verwechseln. Bio ist eher selten regional. Bio-Äpfel kommen derzeit z.B. aus Neuseeland.

    Regionale Bioprodukte gibt es niemals ganzjährig. Also UmweltfreundInnen, bitte die Labels oder Ausschilderung beachten.

    Ich kann ca. 5 Km weiter auf einem Biohof einkaufen oder auf dem Wochenmarkt. Aber nicht immer alles, und regional kommt für mich vor Bio.

  • K
    Küstenstelze

    Wen wundert die Entwicklung wirklich? Dasselbe kennen wir doch von "grünen" Ideen, die sich mittlerweile die großen polit. Parteien auf die Fahne geschrieben haben. Dass die Grünen überhaupt noch prozentual eine Rolle spielen, das ist eher ein Grund zum Wundern.

    Aber letztlich darf man nicht so kleinlich denken, denn entscheidend ist, dass sich unser Leben und unsere Umwelt durch das Umdenken verbessert haben und dieser Prozess noch lange nicht zu Ende ist. Vorreiter sind immer kopiert worden, egal, in welcher Branche oder bei welcher technischen Erfindung. Schutz in dieser Hinsicht ist nicht eingeplant und kann m. E. auch nicht gewährt werden. Da haben wir sie wieder, die freie Marktwirtschaft, auf die wir so stolz sind?!?

  • HR
    Herbert Richard

    "Dass ein Großteil der Kundschaft idyllische und romantische Vorstellung mit Biohöfen und Ökoprodukten verbindet, ist sicher unbestritten."

     

    ich fände es gut zu sehen wie es wirklich ist. Lebensbedingungen der Angestellten der Biobranche.

  • M
    mil

    Hallo,

     

    ich bin langjaehriger bio konsumer. ich muss sagen seit ich weniger bio esse geht es mir seelisch besser. Die bio radikalen, lernen mit der zeit das auch sie leiser reden sollen.

     

    Bio sollte auch bald nicht mehr so geschuetzt werden. auf der einen seite gibt es leute die sagen bio ist eh nicht gut es geht besser und es geht schlechter. bio bio.

     

    streicht doch mal die ganzen begriffe wie bio organisch dynamisch natur und und kontrolliert,... und lesst euch die verpackungen prospekte durch.

     

    vieles was bio heisst ist ganz normal und der ganze wortschwal ist ein geldkassieren mit inklussiver wellnesstheraphie die einen aaus der restbevlkerung heraustecht.

     

    ich kaufe nicht vvom bauern nein! vom bio bauern. ich essenicht roh ich esse...

     

    Bio Brot Bio menschen. Das ist Natur das Kunst aldi schlecht homophathie gut.

    das der ganhze kapitalismus und liberalismus das ganze prüft tut gut uns allen. Sonst wuerde wir dinge kaufen die keiner will.

    Wichtiger als bio ist es kulturen und wissen aufrechtzuerhalten, alte traditionen neben menschlichen freiheiten freiraeumen offenen raeumen.

    Armut gibt es auch in d land. Und ein kleiner bio laden sollte offener werden. staatt elitärem oder fachistischem oder akademischen, alles mit ? klang und dogma . lieber alles verkaufen was man fuer gut haelt. macht euer eigenes bio siegel, ich will auch keine knette an einen buerokratischen staat zahlen.

     

    Der begriff bio sagt nichts. Aufklärung ist alles. Das die Bio branche aufgekauft wird ist halt so. Wer will schon Bio essen. ich moechte mich gut fuehlen.

    der stress der bio gurus und rapunzel macker nervt.

     

    und sowieso die behinderten zwangsarbeit bei demeter schmeckt man mit. Und sowieso auch bei anderen bioleuten liegen leichen im keller. Wir werden einiges noch hoehren und sehen wie diskrieminieren vieles ist was doch so toll seien soll.

     

    Solange das biotum alles besser weiss meide ich sie.

    esst mehr obst lernt schlachten.

     

    Fuer den Bioladen der zukunft wuensche ich mir anarchie sozialismus und wiederstand statt esoterik und seifenblasen.

    neo)lieberalismus schadet vieleicht auch nicht. Obwohl.

    Adam Smith wird uns retten.

    Bio sollte nicht mehr kosten, ohne das unsere anderen beduerfnisse wie schutz-wohnraum bedroht sind.