Öffentlich-rechtliches Fernsehen: Immer Ärger mit dem Schunkelsender
Nach dem Kika-Skandal plagt den MDR ein neuer Betrugsverdacht. Was bei einer Anhörung herauskam, bleibt unter Verschluss – und so kursieren Spekulationen.
BERLIN taz | Wenn der unter Betrugsverdacht stehende MDR-Unterhaltungschef Udo Foht seinen Vorgesetzten Rede und Antwort steht, bleiben die Erkenntnisse erst mal unter Verschluss. Wie schon bei dem Skandal um den Kinderkanal (Kika) ermitteln Staatsanwaltschaft und Sender um die Wette.
Zum Feiern ist im Mitteldeutschen Rundfunk (MDR), der in den nächsten Wochen in mildem Lichte seinen 20. Geburtstag feiern wollte, daher niemand zumute: Intendant Udo Reiter hatte schon Ende Mai seinen vorzeitigen Rücktritt verkündet – seitdem wird ihm vorgeworfen, er mache sich gerade noch rechtzeitig vom Acker.
Muss einem der MDR also leid tun? Schließlich konnte die 1991 für die "neuen" Länder Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen gegründete neue ARD-Anstalt schon ihr 10-jähriges Jubiläum nicht recht genießen, weil Stasi-Verwicklungen von MDR-Gesichtern an den Tag kamen. Heute, zehn Jahre später, heißt das Jubiläumsmotto zwar ein bisschen trotzig "20 Jahre MDR – reif für die Zukunft", doch reif ist der MDR eher mal wieder für die Staatsanwaltschaft.
Der Skandal beim Kika, bei dem Millionen abgezweigt wurden und für den der MDR quasi die Rolle des Erziehungsberechtigten innehat, ist noch längst nicht vollständig aufgearbeitet. Erst Anfang Juli wurde der spielsüchtige ehemalige Herstellungsleiter Marco K., der den Kika über Jahre mithilfe von Scheinrechnungen um mindestens 8,2 Millionen Euro erleichtert hatte, ohne dass das im zuständigen MDR-Rechnungswesen aufgefallen wäre, zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt.
Und nur drei Wochen später wird der Nächste suspendiert, diesmal direkt im MDR-Fernsehzentrum Leipzig: Udo Foht, der Herr der Volksmusik ("Wernesgrüner Musikantenschenke", "Feste der Volksmusik") und Chefarchitekt jener äußerst erfolgreichen MDR-Gemütlichkeit.
Strafanzeige gegen Unterhaltungschef
Der Mann, der schon im Fernsehen der DDR den berühmten "Kessel Buntes" befüllte, soll mehrfach für MDR-Programme Geld von TV-Produktionsfirmen als Vorschuss oder Darlehen eingefordert haben, beispielsweise für Konzepte oder Drehbücher. Insgesamt geht es laut einem Schreiben von MDR-Intendant Udo Reiter schon wieder um mindestens mittelhohe sechsstellige Summen, die für "angeblich notwendige Entwicklungskosten […] auf die Konten anderer Firmen oder Privatpersonen" überwiesen wurden. Eine dieser Firmen hatte den MDR auf Rückzahlung eines solchen Darlehens in Höhe von 40.000 Euro verklagt, der Sender stellte Ende Juli Strafanzeige gegen seinen Unterhaltungschef. Seitdem ermittelt die Staatsanwaltschaft.
Foth soll heute auch MDR-intern noch mal einvernommen werden. Es geht auch um arbeitsrechtliche Konsequenzen des bislang formal nur suspendierten Unterhaltungschefs, der sich den Berliner Medienanwalt Christian Scherz als Rechtsbeistand ausgesucht hat.
Was Foth seinen Sendergewaltigen beichtet, wird allerdings bis auf Weiteres wohl deren Herrschaftswissen bleiben – um die "Ermittlungen der Staatsanwaltschaft nicht zu gefährden", lässt Unternehmenssprecher Dirk Thärichen ausrichten, bleibt der MDR ab sofort stumm.
Den Rest übernimmt die Staatsanwaltschaft. Die kennt sich beim MDR mittlerweile gut aus. Denn auch die Ermittlungen in Sachen Kika dauern weiter an. Jetzt geht es um Trittbrettfahrer, die sich der Methoden des ehemaligen Herstellungsleiters bedient haben sollen, um selbst ein bisschen dazuzuverdienen.
"Sendeplatzversprechen" von Foth
Bei Foth, der in jedem Fall auch gegen MDR-Dienstrecht verstoßen hat, ist dagegen noch unklar, wer profitierte. Merkwürdig bleibt vor allem einer der Fälle, bei dem der MDR die zu entwickelnde Show gar nicht zur Sendereife brachte, es aber ein "Sendeplatzversprechen" von Foth gab und verschiedene Firmen laut Intendant Reiter bereits Vorauszahlungen in sechsstelliger Größenordnung geleistet hatten. "Aufgrund der bisher vorliegenden Unterlagen muss davon ausgegangen werden, dass die gezahlten Gelder von Herrn Foth oder anderen für private Zwecke verwendet wurden", schreibt Reiter an Verwaltungsrat und Rundfunkrat des MDR.
Derweil kursieren in Sachsen Gerüchte: Foth, über dem ein nie erhärteter Stasi-Verdacht schwebt, werde von Angehörigen der "Firma" oder Mitwissern erpresst, heißt es. Der Unterhaltungschef war im Zuge des Stasi-Skandals beim MDR 2001 überprüft worden, eine Verpflichtungserklärung des angeblichen Stasi-IM "Karsten Weiß" fand sich nicht, der Personalausschuss des Rundfunkrats hatte sich vor zehn Jahren dafür ausgesprochen, Foth "ohne Konsequenzen" weiterzubeschäftigen. Insider halten die Erpressertheorie auch für Unfug.
Anders als beim Kika-Fall ist bislang auch völlig unklar, ob der MDR und damit die Gebührenzahler durch Foths ungewöhnliche Produktionsweise überhaupt geschädigt wurde – oder der Sender am Ende sogar profitierte. Man kann den Fall nämlich auch so sehen, dass sich da ein öffentlich-rechtlicher Sendergrande einfach der im privaten Fernsehen üblichen Methoden bedient hat. Dort werden Entwicklungskosten und ähnliche Vorleistungen gern auf die Produktionsfirmen abgewälzt. Der Sender zahlt dann später en bloc – natürlich nur, wenn es das Programm auch wirklich ins Fernsehen schafft. Auf Projektideen, die auf halber Strecke scheitern, bleibt der Anbieter sitzen.
Langer Weg durch die Senderbürokratie
Beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk gibt es dagegen Geld für die Entwicklungsarbeit – "selbstverständlich" seien auch in der MDR-Herstellungsordnung "Entwicklungskosten für mögliche Projekte vorgesehen. Dafür brauchen keine Gelder bei freien Produzenten angeworben zu werden", schreibt auch Intendant Reiter etwas pikiert. Nur: Wer angesichts schmalerer Budgets auch bei ARD und ZDF ans Geld will, muss den langen Weg durch die Senderbürokratie antreten und sich reinquatschen lassen. Was vielleicht lästig ist, wenn man, wie Foth, gute Kontakte zu Volksmusikimpressarios wie Hans R. Beierlein pflegt und mit diesem Stars wie Florian Silbereisen fest im deutschen Schunkelfernsehen verankert hat.
Auch Burda-Vorstand Philipp Welte hat Foth Geld vorgeschossen, laut Burda 30.000 Euro, rein privat. Eine Verbindung zur alljährlich in der ARD ausgestrahlten Burda-Huldigungsgala "Bambi" herzustellen, für die der MDR und bislang dessen Unterhaltungschef Udo Foth verantwortlichen waren, sei aber unzulässig. Vermutlich stimmt angesichts der lächerlich kleinen Summe auch das.
Das Rätseln um den MDR, der mit einem von der Kritik verlachten Häkeldeckchen-Programm das erfolgreichste Dritte Programm der ARD macht, wird also weitergehen. Und weil Intendant Reiter nicht mehr mag und einE NachfolgerIn her muss, hat auch die Politik trotz Sommerpause sich auf den Sender eingeschossen. Großflächig kritisierten Politiker in den Regionalzeitungen des Sendegebiets, der MDR-Rundfunkrat erfahre alles bloß aus der Presse, werde hingehalten. Die Staatskanzlei Sachsen-Anhalt will besser informiert werden, der Thüringische SPD-Fraktionsvorsitzende Udo Höhn fordert, der Fernsehausschuss des MDR-Rundfunkrats müsse eine Sondersitzung einberufen.
Das hat Reiter dann doch nicht verdient: Er regt in seinem Brief sogar höchstpersönlich Sondersitzungen des ganzen Rundfunks- und Verwaltungsrats an. Nach einem Termin, ist im MDR zu hören, werde derzeit gesucht. Spätestens dann wird auch die Öffentlichkeit erfahren, wie es in dem Sender zugeht.
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