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„Öbszön, beleidigend“

■ Leserbrief zu Interview mit Karin Bergdoll v. 9.1O.89.

Liebe Karin Bergdoll Nach einer kurzen Kontroversen Debatte über das sexistische Plakat des Bremer Theaters und Deinem Abschlußsatz in der taz von Montag 9.1O.89., daß Du noch keine einzige Frau getroffen hast, die das Plakat nicht sexistisch fand muß ich Dir aus diesem Grund schreiben.

Ich erinnere mich noch der mit Plakaten zugekleisterten Litfaßsäulen und meiner zuerst peinlichen Gefühle. Bevor ich aber meine Irration benannte und in die Schublade 'sexistisch‘ packte, dachte ich darüber nach und kam auf die verschiedensten gedankenlichen verknüpfungen, wobei das Urteil „sexistisch“ das zuerst ins Auge springende und glatteste des Plakats erfaßte, aber wohl nicht alle Facetten der Darstellung. Erst auf den zweiten Blick erschloß sich mir der Witz und die Ironie mit der hier Geschlechtlichkeit zum Thema eines Plakats zur Auführung von E-Musik gemacht wird. Die Bilder die benutzt werden, sind klischees aus den Köpfen von allen und von daher durch das zensierte Auf-oder Abhängen nicht zu verändern. Wäre der Eindruck auf Euch weniger aufdringlich und störend gewesen, wenn ein nackter Männertorso dargestellt worden wäre?

Ich erinnere mich noch gut an das Plakat der 218-Initiative aus den 7O-Jahren, bei dem eine nackte Frau von dem damals antierenden Bundesverfassungsrichtern betatscht wird unter dem Titel: die würde des Menschen ist unantastbar. Auch dann gab es Diskussionen über den vielleicht dahinter steckenden Sexismus der Plakatgruppe. Das Plakat zeigte jedenfalls Wirkung. Es wurde für die Richter verboten und in der WG nächstens unter der Matratze des hinterbettes versteckt. Neulich begegnete es mir zu meiner Klammheimlichen Freude wieder: im Lesezimmer der GSM. Mein 11-jähriger Sohn fragte nach der Lektüre der Taz: was ist sexistisch? Mir fiel das 218-Plakat ein. Ist es sexistisch? Haben wir damals mit frauenfeindlichen Mitteln Frauenrechte verlangt. Muß es aus dem Gesichtskreis meines Kindes verschwinden?

Beide Plakate sind sich in einem Punkt ähnlich: in über Respektlosigkeit und Provokanz gegenüber gesellschaftlichen Werten. Daraus können sich Fragen entwickeln gegen das eigene Klischeedenken. Deshalb bin ich der Werbegraphikerin dankbar. An Schubladen wird es nie fehlen, Mißliebiges verschwinden zu lassen. Gerade wir Frauen sollten nicht an der umseligen Tradition der Zensur anknüpfen, sondern eine offensive Streitkultur miteinander und mit den Männern pflegen. Machtstreben, eindimensionales Denken und daraus resultierende Langeweile in der politischen (Männer-) Kultur gibt es schon reichlich. Fügen wir nicht noch mehr aus weiblicher Sicht hinzu.

Mit trotzdem solidarischem Gruß

Bernhild Gollmich

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