Ode an einen Feministinnennschreck: Gehilf uns, Verona!
Nur wenige verstehen, was Verona Pooth medial so alles geleistet hat. Nun droht ein blasser Ehemann, sie in die Bedeutungslosigkeit hinabzuziehen. Das darf nicht sein!
Ist das nicht entsetzlich? Eine Tragödie der postfrauenbewegten Neuzeit? Von Verona Feldbusch ist der Glanz abgefallen. Aus dem Feministinnenschreck der Neunzigerjahre ist Frau Pooth geworden, Gattin eines Mannes, dessen Vorname Franjo für lange Zeit seine einzige öffentlich wahrnehmbare Auffälligkeit war. Und ausgerechnet dieser Mann bringt die Boulevardgöttin jetzt zu Fall: Wegen der zweifelhaften Geschäftsmethoden von Franjo Pooth ist die Familie Gegenstand von Hausdurchsuchungen und Wirtschaftsprüfungen geworden ist - Vorgänge, die so gar nicht zu der schönen heilen Welt des Glamouradels passen wollen, die Verona Pooth mit einer unvergleichlichen - je nach Gemüt: optimistisch oder wütend stimmenden - Quietschigkeit und mit einem nicht nur für ihre Tops und Kleidchen unfassbaren Brusteinsatz in den letzten Jahren inszeniert hat.
Nun verkündete RTL 2, als habe man einen Programmschwerpunkt satt, dass Verona Pooth nicht mehr für sie als "Engel im Einsatz" tätig sein werde. Ihr fehle es an Glaubwürdigkeit - was als Kritik ungefähr so trifft, als hielte man der Bild-Zeitung überkrasse Intellektualität vor. Die Bestechungsvorwürfe gegen ihren Mann passten nicht zu der Sendung, in der eine himmlische Pooth "in Not geratene Menschen" retten sollte.
Mit anderen Worten: Die Verona-Pooth-Dämmerung hat längst begonnen. Eine Frau, die sich einmal um gar nichts scherte, stolpert jetzt über ein paar schlichte Sandaletten, die sie der Ehefrau eines Bankchefs schenkte. Plötzlich teilt die gemeinhin als emanzipierte Businesslady gerühmte Quasselstrippe das Schicksal der klassischen Romanfigur: Ein planloser Ehemann ruiniert der ehrgeizigen Gattin ihren gesellschaftlichen Höhenflug.
Und zum ersten Mal verlässt Verona Pooth, geborene Feldbusch, ihr Gespür für den Markt. Sie, die, wie Medienkenner Lutz Hachmeister einmal akribisch notiert hat, durch ihre Selbstsatire immun gegen alle Vorbehalte sei, fühlt sich zum ersten Mal von Kritik angegriffen - und reagiert überraschenderweise und gegen all das, was von ihr gewohnt war, sehr gekränkt. Verwandelt sich sogar in das Gegenbild ihrer ironischen Selbstinszenierung. Wird zur Zimperliese und Heulsuse, die auf jeden Fall ernst genommen werden will. "Ich fühle mich so verletzt", zitiert die Bild-Zeitung ihre Reaktion auf den Rausfwurf bei RTL 2. "Als mich der Manager anrief, war ich erst mal sprachlos." Nein, solcher Sätze wegen haben wir sie nicht geliebt und in Ehren gehalten. Immerhin konnte sie sich noch zu dem Interview mit der Bild aufraffen.
Wie ist das alles zu erklären? "Man wird nicht als Frau geboren, man wird dazu gemacht", sagte Simone de Beauvoir. Bei Verona Feldbusch war das andersherum. Sie wurde als Frau geboren und machte dann was draus. Als eine Verkörperung aller Attribute, die man Weiblichkeit gemeinhin so zuschreibt. Über ihre Kunstfigur, bei der man sich endlos fragte, "Ist die wirklich so blöd, oder tut sie einfach nur so?", hat sie große Diskussionen darüber losgetreten, was Weiblichkeit ist und was es bedeutet, wenn eine Frau sich selbst zum Sexobjekt macht.
Verona Feldbusch war eine geballte Überdosis Süße, Sex und Geschwätzigkeit und ist dabei doch nie wirklich zum Objekt geworden. Alle Zügel in eigener Sache hielt sie selbst fest in den Händen. Das hat natürlich vielen Bedenkenträgern nicht gepasst, die gerne ihr eigenes Bild von der entsexualisierten Frau zum Maßstab machen wollen. Menschen, die nicht in der Lage sind, zu akzeptieren, dass eine Frau sich einfach alle sexistischen Zuschreibungen, die auf dem Markt zu haben sind, aneignet und erfolgreich für sich einsetzt. Und die auch einfach die allenfalls zufällig gebremste Blödheit, die Feldbusch zum Teil ihrer Performance gemacht hat, nicht ertragen konnten.
Verona Felbuschs größte Stärke war immer ihre Selbstironie. So ist das Ende ihres Benefizpärchendaseins auch ihre große Chance, wieder zu ihrer eigentlichen Mission zurückzukehren. Am 30. April feiert Verona Pooth ihren 40. Geburtstag. Den könnten sie für ihr Comeback nutzen. Befreit von den blassen Rollen als perfekte Ehefrau und rettender Engel könnte sich Pooth nun endlich wieder ihrer Kunstfigur "Verona Feldbusch" widmen. Denn die hat extrem viel für die Sprengung von alten Geschlechterklischees getan, und man wünscht sie sich auf die Bildschirme zurück, um wieder den Kampf gegen die Kernseifefrauen aufzunehmen. Verona Felbusch ist ein Störfaktor der Emanzipationsgeschichte, die genau eine wie sie nach wie vor dringend nötig hat.
Geboren wurde Verona Feldbusch eigentlich nicht als Frau, sondern als Ex-Frau. Das Ende ihres vierwöchigen Eheglücks mit Popmacher Dieter Bohlen wurde 1996 medial im Format einer Fürstenhochzeit ausgeschlachtet, und Verona Feldbusch präsentierte sich mitteilungswütig auf unzähligen Kanälen als eine interessante Mischung aus niedlichem Playboyhäschen und unbeugsamer Kämpferin, die ihren Erfolg begründete.
"Meine naive Art ist eine Marktlücke", erkannte Pooth und stürzte sich mit einer beneidenswerten Unbedarftheit in alle möglichen Projekte: Die RTL-2-Erotiksendung "Peep", die Late-Night-Talkshow "Veronas Welt", eine eigene Kosmetiklinie, Schuhe, die Dessous "Veronas Dreams" und was nicht alles. Immer wieder wurde sie schroff und gedanklich eher armselig kritisiert, steif sei sie, unbegabt, nervig, die FAZ nannte sie sogar "erbarmungswürdig".
Als Menschenallesversteher Johannes B. Kerner sie im Juli 2001 auf Alice Schwarzer losließ, kam auch die illustriertenferne Welt nicht mehr an Verona Feldbusch vorbei. "Eine einzige Ohrfeige für die Frauen", hatte die Emma-Herausgeberin Verona Feldbusch genannt. Womit sie nicht gerechnet hatte: Feldbusch verteilt ihre Ohrfeigen gerne auch einzeln. "Wir alle wollen doch die Welt verändern. Jeder auf seinem Platz. Da kann doch nicht einfach eine Frau daherkommen und sich immer über den Dingen stellen", kritisierte sie Schwarzers stieftantige Bevormundungen. Im Gefecht mit Schwarzer bewies Feldbusch, spätere Pooth, dass sie zu Unrecht als "Dummchen" galt.
In einer Sache könnte Schwarzer jedoch Recht behalten haben. Feldbusch nehme die Männer nicht ernst, warf sie ihrer Kontrahentin vor. Hätte Frau Pooth ihren Ehemann von Anfang an tatsächlich ernst genommen, wäre sie vielleicht erst gar nicht so weit gegangen, dass er sie jetzt mit sich in den Abgrund ziehen könnte. Oder ist gerade, dass sie ihren Mann ernst nahm, ihr entscheidender Fehler, der sie nun zum Straucheln bringt?
Als Verona Feldbusch hatte sie sich an all der harschen Kritik nicht gestört. Sie hat einfach unbeirrt weitergeplappert. Sie weiß ja auch, dass sich die Gesellschaft der politisch Korrekten letztlich nur auf einen kleinen selbsteingeweihten Zirkel beschränkt.
Wenn Mädchen in die Pubertät kommen, dann werden sie sprachlos. Mary Pipher beschreibt das in ihrem Buch "Die Wiederbelebung Ophelias". Es heißt bei ihr: "Wenn Frauen erwachsen werden, werden sie zu Darstellerinnen von Weiblichkeit, die ihre ganze Persönlichkeit in den kleinen Raum quetschen, den die Gesellschaft für Frauen vorsieht." Verona Feldbusch war eine Figur, die dieses politische Schnürkorsett gesprengt hat. Ob in den Seminaren an der Universität oder in der Ausbildung, Frauen auf dem Weg in die Selbständigkeit bekommen oft suggeriert, dass sie sich nur dann in den Vordergrund drängen können, wenn sie etwas wirklich Elementares beizutragen haben.
Durch ihren "frenetischen Dilettantismus", den die Wochenzeitung Die Woche ihr 1998 attestierte, hat Verona Feldbusch einer ganzen Generation von Frauen gezeigt, dass man sich auch einfach mal trauen kann, das zu sagen, was man denkt, jenseits feministischer Rund-um-die-Uhr-Anstrengung. Auch wenn es vielleicht daneben ist.
Verona, wir hatten an dir unsere Freude. Komm zurück, sei nicht Frau Pooth, sondern einfach: Verona Feldbusch.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen