Obdachlose am Hauptbahnhof: Das ungeliebte Problem
Noch immer ist nicht geklärt, wer für die Suchtkranken und Obdachlosen am Hauptbahnhof zuständig ist. Eine einheitliche Linie gibt es nicht, auch keine festenAnsprechpartner.
Martin* macht „seit 20 Jahren Platte“. Er steht mit ein paar anderen auf der Rückseite des Hamburger Hauptbahnhofs. Dass er schon am Mittag Alkohol getrunken hat, kann man riechen, auch sein Shirt hat ein paar Flecken. „Alle zwei Minuten“ würden sie von der Polizei weggeschickt. Wütend macht ihn, dass ausländische Frauen und Männer, die ebenfalls rund um den Bahnhof kampieren, nicht verjagt würden. „Wir sind seit 20 Jahren hier“, sagt er.
Martin will den Rumänen, die ebenfalls am Hauptbahnhof sind, das Recht dazu nicht absprechen: „Auch die haben ein Recht zu leben, irgendwo müssen die Menschen ja hin.“ Michael und Kistl, die man ebenfalls am Bahnhof treffen kann, sehen das ähnlich.
Das Hauptproblem am Bahnhof sind die wechselnden Zuständigkeiten: Die Hochbahn betreibt dort Haltestellen der U-Bahnlinien U 1, U 2 und U 3. „Die Zuständigkeiten beschränken sich auf die unterirdischen Haltestellenanlagen und deren Zugänge“, sagt Sprecherin Maja Weihgold. „In unserem Zuständigkeitsbereich sind unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterwegs und haben die Haltestellen im Blick.“
Die Pressestelle der Hamburger Polizei erklärt sich gegenüber der taz gleich zweimal für unzuständig und verweist an die Bundespolizei: Deren Sprecher Rüdiger Carstens verdeutlicht, seine Behörde sei tatsächlich nur für das Innere der DB-Gebäude verantwortlich. Man schreite ein, wenn außerhalb etwas passiere, übergebe den Fall dann aber zur Weiterbearbeitung an die Landespolizei.
Dort sagt Sprecherin Karina Sadowsky, mehrmals täglich würden trinkende Personen am Bahnhof angesprochen, „wenn sie über den Alkoholverzehr ein störendes Verhalten zeigen“. Die Leute würden in der Regel den Aufforderungen der Beamten folgen – Zahlen dazu gibt es nicht. Platzverweise würden erteilt, „wenn gefahrenbegründetes Verhalten“ vorliege.
Dass Deutsche und Migranten unterschiedlich behandelt werden, dementiert Sadowskys Kollegin Sandra Levgrün. Es könne sein, dass Ausländer relativ schnell wieder da seien, weil sie die Polizei nicht verstünden – Englisch spreche heute aber jeder, und notfalls verständige man sich „mit Händen und mit Füßen“.
Feuerwehr-Sprecher Manfred Stahl sagt, wie häufig Notarzt und Rettungswagen am Hauptbahnhof sind, werde statistisch nicht erfasst, beteiligt seien die Rettungswachen Innenstadt und Berliner Tor. DB-Sprecherin Sabine Brunkhorst findet, „die Situation außerhalb des Hauptbahnhofs ist sicherlich nicht optimal für die Kunden der Bahn sowie als Eingangstor zur Stadt“.
Alle Beteiligten müssten eingebunden werden, sagt Brunkhorst. „Es kann hier aus unserer Sicht keine Verdrängung geben.“ Ihrer Meinung nach seien die Sozialträger gefragt, von denen müssten Hilfsangebote kommen „und diese rund um die Uhr“.
Ulrich Hermannes von der Stadtmission, zu der die Bahnhofsmission gehört, macht darauf aufmerksam, dass es in der Stadt auch an anderen Stellen öffentliche Armut gebe, dies werde zunehmen. In den letzten drei Jahren sei die Zahl der Bedürftigen gestiegen. Hermannes ist sichtlich bemüht, die Diskussion um den Hauptbahnhof zu entemotionalisieren.
Susanne Meinecke, Sprecherin von Wirtschafts und Verkehrssenator Frank Horch, ist sich „sehr bewusst, dass sich dringend etwas ändern muss“. Sie bestätigt Gespräche der Verantwortlichen, sagt aber auch: „Wir haben noch keine Lösung, das ist schlicht die Wahrheit.“ Es gehe darum, die vielen Zuständigkeiten in eine zu überführen. Verdrängung jedenfalls sei „nicht die Lösung der Probleme“.
* Name geändert
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