Obamas Berliner Rede an die Welt: "Die USA können das nicht alleine"
Wie redet man vor 100.000 Deutschen, so dass es bei den US-Wählern Eindruck macht? Obama meistert dieses Problem mit einer überraschend offenen Rede.
BERLIN taz Die Aufgabe für Barack Obama war klar definiert: Wenn man eine öffentliche Rede vor Zehntausenden, vermutlich über 100.000 Menschen plant, dann muss man begeistern. Wenn diese 100.000 aber Deutsche sind, die Rede jedoch vor allem im US-Wahlkampf wirken muss, dann ist das eine echte Herausforderung. Barack Obama hat sie gemeistert in einer Rede, die offener und ehrlicher war, als man das hätte erwarten können.
Er spreche in Berlin nicht als Präsidentschaftskandidat, sondern als US- und Weltbürger. US-Politiker vor ihm hätten in Berlin gesprochen, sie hätten allerdings ein bisschen anders ausgesehen, sagte Obama augenzwinkernd und provozierte wohlwollendes Gelächter aus der Menge, die ihn ohnehin mit "O-ba-ma"- und "Yes, we can"-Rufen mehr als freundlich begrüßt hatte.
Über die Erinnerung an die Luftbrücke vor 60 Jahren und das Vertrauen zwischen Deutschen und US-Amerikanern, was damals gebildet worden sei, kam Obama auf seinen Wahlkampfthema "Hoffnung", die die Berliner damals nicht aufgegeben hätten. Es war der Teil der Rede zum Warmlaufen.
"Das 21. Jahrhundert sieht eine Welt, die so stark miteinander verflochten ist wie nie zuvor." Mit dieser Beschreibung von Globalisierung war Obama beim wie erwartet zentralen Thema seiner Rede angelangt: Angesichts der riesigen zu lösenden Weltprobleme, vom Klimawandel bis zum Terrorismus, von Armut und Gewalt bis zum Völkermord in Darfur gebe es zur engen und effektiven Zusammenarbeit und einer Absage an jeglichen Unilateralismus keine Alternative.
"Wir müssen Verbündete sein, die einander zuhören, die voneinander lernen und vor allem: die einander vertrauen!", rief Obama unter Riesenjubel aus. Er weiß, dass so ein banaler Satz in Europa als massive Kritik an der Bush-Regierung verstanden wird.
Auch auf das miserable Image der USA in der Welt nach acht Jahren Bush ging Obama ein, ohne allerdings den amtierenden Präsidenten auch nur ein einziges Mal namentlich zu erwähnen. In Europa, so Obama, sei der Eindruck entstanden, dass die USA inzwischen mehr ein Teil des Problems seien als der Lösung. Und in den USA gebe es Stimmen, die Europa schlicht jede Bedeutung für die Sicherheit und die Zukunft der USA absprechen. Beides sei falsch.
In der Vergangenheit habe es Meinungsverschiedenheiten gegeben, die werde es bestimmt auch in der Zukunft geben. Beide zusammen aber, die USA und die Europäer, dürften nicht zulassen, dass neue Mauern entstehen, weder zwischen beiden Seiten des Atlantiks, noch zwischen Arm und Reich oder unterschiedlichen Ethnien, Rassen oder Religionen. "Wir können es uns nicht leisten, gespalten zu sein," rief Obama.
In einem historischen Abschnitt seiner Rede verglich Obama den Kampf des Westens gegen den Kommunismus mit dem Kampf, der heute gegen Terrorismus und eine Ideologie des Hasses nötig sei - um direkt auf Afghanistan einzugehen. "Die USA können das nicht allein machen. Die Afghanen brauchen unsere Truppen - und Ihre Truppen," sagte Obama und machte damit deutlicher als erwartet klar, was er insbesondere von der deutschen Regierung einzufordern gedenkt.
Auch beim Thema Irak forderte Obama ein wesentlich stärkeres Engagement der Europäer. Er umschiffte die Gefahr, sich bei den Deutschen als Irakkriegsgegner anzubiedern und dafür in den USA gescholten zu werden, sondern sagte ganz als US-Politiker, trotz früherer Meinungsverschiedenheiten über den Irak sollte die Welt heute den Irakern helfen, ihr Land aufzubauen, und der irakischen Regierung, das Land zu entwickeln.
In klarer Abgrenzung gegen die Formulierung des früheren US-Verteidigungsministers Donald Rumsfeld, es gebe ein "altes" und ein "neues" Europa und entsprechend differenzierte US-europäische Allianzen sagte Obama, die USA suchten die Partnerschaft mit dem gesamten Kontinent Europa.
Eine gemeinsame Aufgabe sei es etwa, gegen die Weiterverbreitung von Atomwaffen vorzugehen und endlich eine Welt frei von Atomwaffen zu schaffen. Zu oft hätten sich während des Kalten Krieges die Supermächte kurz vor der Zerstörung der ganzen Welt gegenüber gestanden.
Heute sei es eine Aufgabe Europas und der USA, und den Iran zur Aufgabe seines Nuklearprogrammes zu bewegen.
Mehrfach erwähnte Obama in seiner Rede den Klimawandel als gemeinsame Aufgabe - und formulierte: "Wir müssen dafür sorgen, dass alle Nationen, auch meine eigene, mit der gleichen Ernsthaftigkeit und Entschlossenheit vorgehen wie Ihre Regierung und das CO2, das wir in die Atmosphäre ausstoßen, reduzieren," sagte Obama. Das ist nicht nur ein Lob, dass der Bundesregierung gefallen dürfte, es ist vor allem eine überaus scharfe Kritik an der Bush-Regierung - und eine anspruchsvolle Positionierung für die Zukunft.
Den Schluss bildete die vermutlich flammendste Werbung für das Selbstbild der USA, die seit langem ein US-Politiker in Europa gesagt hat. "Werden wir für die Menschenrechte des Dissidenten in Birma einstehen, des Bloggers in Iran, des Wählers in Simbabwe? Werden wir den Worten ,Nie wieder!' in Darfur endlich Bedeutung geben? Werden wir die Folter zurückweisen und für Rechtsstaatlichkeit eintreten?" fragte Obama.
Ja, die USA hätten Fehler gemacht und seien nicht immer ihren Ansprüchen gerecht geworden, "aber ich weiß auch, wie sehr ich Amerika liebe". Für Freiheit, Toleranz jedem gegenüber, Religionsfreiheit, Pressefreiheit, Chancen und Hoffnungen für alle. Wenn Bush das alles gesagt hätte, hätte Schweigen geherrscht. Bei Obama überwog der Jubel.
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